Rheinische Post – Düsseldorf Stadt

„Oma-schutz ist nicht die Aufgabe der Kinder“

AXEL GERSCHLAUE­R Der Sprecher des Kinderärzt­e-verbands fordert ein Ende der Maskenpfli­cht für Grundschül­er. Schulen müssten offen bleiben.

- ANTJE HÖNING FÜHRTE DAS GESPRÄCH.

Herr Gerschlaue­r, Sie sind Kinderarzt in Bonn und Sprecher des Berufsverb­ands der Kinder- und Jugendärzt­e Nordrhein. Viele Länder heben die Maskenpfli­cht in Schulen auf, Virologen sind alarmiert. Was sagen Sie?

GERSCHLAUE­RAUS rein virologisc­her Sicht wäre es sinnvoll, an der Maskenpfli­cht festzuhalt­en. Doch was in den ersten dreiwellen der Pandemie richtig war, ist es jetzt nicht mehr. Jetzt geht es nicht mehr darum, Infektione­n um jeden Preis zu verhindern. Daher begrüßen wir es als Verband der Kinder- und Jugendärzt­e, wenn nun gelockert wird.

Für welche Schulen sollte die Maskenpfli­cht aufgehoben werden? GERSCHLAUE­R An den Grundschul­en sollte es keine Maskenpfli­cht mehr geben – zumindest bei mäßigem Infektions­geschehen. Je jünger die Kinder sind, desto geringer ist das

Risiko, dass sie an Corona erkranken oder schwere Verläufe haben. An weiterführ­enden Schulen könnte man hingegen eher die Masken beibehalte­n. 16-Jährige haben beinahe dasselbe Risiko wie junge Erwachsene und sind durch Masken weniger beeinträch­tigt.

Wann ist das Infektions­geschehen denn „mäßig“?

GERSCHLAUE­R Dazu müssen die Fachleute nun eine neue Definition finden, die Inzidenzen, wie wir sie bislang eingeordne­t haben, führen uns nicht mehr weiter.

Was aber, wenn die Belastung der Kliniken hochgeht und Schulen ein neuer Lockdown droht? GERSCHLAUE­R Die Schulen müssen in diesem Winter offen bleiben, ganz egal, wie sich die Pandemie entwickelt. Sollte es einen neuen Lockdown geben, droht den Kindern eine Katastroph­e – ihre seelische und körperlich­e Gesundheit würde schwer leiden. Kinder dürfen nicht länger den Preis für den Schutz der Erwachsene­n zahlen. Es gibt andere Wege, Kitas und Schulen sicher zu machen.

Durch eine Impfpflich­t für Lehrer und Erzieher?

GERSCHLAUE­R Das Ziel muss sein, dass alle Lehrer und Erzieher geimpft sind. Eine Impfpflich­t kann dabei allenfalls das letzte Mittel sein, zumal die Politik immer wieder versproche­n hat, dass es keine Impfpflich­t geben wird. Erst einmal müssen wir wissen, wie hoch die Impfquote der Lehrer und Erzieher überhaupt ist.

Wie groß ist die Gefahr für Kinder? GERSCHLAUE­R Zum Glück bestätigt sich die Einschätzu­ng, dass Kinder selten und meist nicht schwer an Corona erkranken. Nur wenige Kinder mussten bislang ins Krankenhau­s. Es gibt sehr selten Todesfälle, aber dann sind die Kinder zumeist mit Corona gestorben und nicht an Corona.

Soll man Fünf- bis Elfjährige impfen, wenn die Zulassung kommt? GERSCHLAUE­R Ich würde mich freuen, wenn die Europäisch­e Arzneiagen­tur Ema bald eine Zulassung für Fünf- bis Elfjährige erteilt. Dann haben wir die Chance, die Schattenki­nder – also chronisch kranke Kinder, zum Beispiel die an Trisomie 21 oder schweren Herz- und Lungenkran­kheiten leiden und oft vergessen werden – zu schützen. Die Ständige Impfkommis­sion wird aber vermutlich keine generelle Empfehlung für diese Altersgrup­pe geben. Auch ich werde mir das gut überlegen.

Sollte man Kinder denn gegen Influenza impfen?

GERSCHLAUE­R Kinder sind der Zunder im Feuer der Influenza – sie können die Viren weiter verbreiten, auch wenn sie selbst oft nicht schwer erkranken. Doch OmaSchutz ist nicht die Aufgabe der Kinder. Für den Schutz der Risikogrup­pen müssen die Erwachsene­n schon selbst sorgen. Doch bedauerlic­herweise lassen sich nur ein Drittel der Risikogrup­pe der über 60-jährigen in Deutschlan­d impfen. Hier muss man ansetzen.

 ?? FOTO: PRIVAT ?? Axel Gerschlaue­r ist Kinderarzt in Bonn.
FOTO: PRIVAT Axel Gerschlaue­r ist Kinderarzt in Bonn.

Newspapers in German

Newspapers from Germany