Rheinische Post – Düsseldorf Stadt
Bayer erringt einen Etappensieg
Es ist das erste Urteil zugunsten des Leverkusener Konzerns im Glyphosat-streit. Wegweisend wird die Entscheidung des Supreme Court.
LEVERKUSEN Auf eine solche Nachricht hat der Bayer-konzern lange gewartet: Erstmals konnte er im Streit um Glyphosat einen Sieg vor einem Gericht in den Vereinigten Staaten erringen. Die Mutter des Jungen Ezra Clark hatte den Konzern Mitte September verklagt. Sie macht den glyphosathaltigen Unkrautvernichter Roundup, den sie auf ihrem Grundstück versprüht hatte, dafür verantwortlich, dass ihr Sohn mit vier Jahren am Burkitt-lymphom erkrankte, einer besonders aggressiven Krebsart. Doch ein Gericht in Kalifornien wies das nun zurück. Es erklärte, dass der Unkrautvernichter kein substanzieller Auslöser der Krankheit gewesen sei.
Die Verantwortlichen bei Bayer reagierten erleichtert: „Wir haben großes Mitgefühl für Ezra Clark und seine Familie, die Geschworenen haben aber die wissenschaftlichen Erkenntnisse zu diesem Fall sorgfältig abgewogen und sind zu dem Schluss gekommen, dass Glyphosat nicht die Ursache seiner Krankheit ist.“Das Urteil der Geschworenen beende das Gerichtsverfahren und entspreche der Einschätzung der Regulierungsbehörden weltweit wie auch den umfangreichen wissenschaftlichen Erkenntnissen aus vier Jahrzehnten. Ein Anwalt der Kläger erklärte, man prüfe eine Berufung.
Nach der Übernahme des USKonzerns Monsanto vor fünf Jahren war in den USA eine Klagewelle gegen Bayer losgebrochen. Tausende Amerikaner – vor allem solche, die an Lymphdrüsenkrebs (NonHodgkin-lymphom) erkrankten – verklagten den Konzern. Im Jahr 2018 gab eine Us-jury dem krebskranken Platzwart Dewayne Johnson recht, der letztlich 20,5 Millionen Dollar erhielt. Die Us-anwälte drehten auf: Die Zahl der Klagen stieg auf 125.000, von denen Bayer bisher 96.000 beigelegt hat oder die nicht vergleichsberechtigt waren. In drei Verfahren erlitt Bayer eine Niederlage vor Gericht und wurde zur Zahlung von milllionenschwerem Schadenersatz verurteilt. Nun hat der Konzern erstmals gewonnen.
Die Bayer-aktie, die in den vergangenen Jahren eine rasante Talfahrt hingelegt und sich im Wert halbiert hatte, zog am Mittwoch an: Sie gewann zeitweise rund 1,5 Prozent und legte auf 47 Euro zu. Vor der Übernahme von Monsanto lag sie bei 100 Euro. Ihr Rekordhoch 2015 stand bei 140 Euro.
In einem der drei Fälle, bei denen Bayer unterlegen war, geht der Konzern vor den Obersten Gerichtshof: Im August hatte Bayer angekündigt, die Klage des krebskranken Ed Hardeman vor dem Supreme Court klären zu lassen. Nun schauen Konzern und Anleger mit Spannung darauf, ob das oberste Gericht der Vereinigten Staaten die Klage annimmt. Dies ist entscheidender für den ganzen Glyphosat-komplex als der aktuelle Sieg von Bayer im Einzelfall Ezra Clark. Sollte der Supreme Court die Revision von Bayer annehmen und am Ende womöglich im Sinne des Leverkusener Konzerns entscheiden, hofft das Unternehmen, einen Schlussstrich unter die langen und kostspieligen Rechtsstreitigkeiten ziehen zu können. Mit einer Entscheidung ist in den nächsten Monaten zu rechnen.
Bayer hat zur Beilegung der Verfahren bereits milliardenschwere Rückstellungen gebildet: Für 125.000 Klagen hat der Konzern bis zu 9,6 Milliarden Dollar zurückgelegt, für künftige Klagen weitere 6,5 Milliarden. Nachdem Us-richter Vince Chhabria im Mai Bayers Vorschlag für den Umgang mit künftigen Klagen abgelehnt hat, setzt der Konzern auf einen FünfPunkte-plan: Er prüft etwa, den Verkauf von Roundup an Privatkunden zu stoppen. Bayer betont stets, dass der Einsatz von Glpyhosat bei sachgemäßer Anwendung sicher sei, und verweist auf die Zulassungsbehörden. Die Weltgesundheitsorganisation ( WHO) hingegen hält Glyphosat für potenziell krebserregend. In Deutschland wird das Mittel seit 1974 eingesetzt, in einigen Staaten wird über ein Verbot diskutiert.