Rheinische Post – Düsseldorf Stadt
Nachschlag für viele Sparverträge
Laut Bgh-urteil muss für Prämiensparverträge ein Referenzzinssatz festgelegt werden, an dem sich Banken und Sparkassen orientieren müssen.
KARLSRUHE/DÜSSELDORF Prämiensparer sind im Streit mit Banken und Sparkassen über alte Sparverträge einer Rückzahlung der zu wenig gezahlten Zinsen nähergekommen. Der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe hat am Mittwoch entschieden, dass für die Ermittlung der Zinssumme ein Referenzzinssatz festgelegt werden muss, an dem sich die Geldhäuser orientieren, die ihren Zins im Zweifel monatlich anpassen müssen. Diesen Satz muss das Oberlandesgericht Dresden festlegen. Das hatte zuvor zwar in mehreren Fällen entschieden, dass die Zinsanpassungsklauseln beteiligter Sparkassen unwirksam gewesen seien, wollte aber nicht über die Berechnung entscheiden. Deshalb hatte die Verbraucherzentrale Sachsen Revision beim BGH eingelegt.
Verhandelt worden sind somit zwar nur Fälle in Sachsen, aber natürlich kann dieses Urteil bundesweit Signalwirkung haben. Denn Prämiensparverträge sind früher en masse abgeschlossen worden. Um die Verzinsung dieser Verträge wird schon seit fast zwei Jahrzehnten gestritten. Für die Sparer erhöhte sich zwar mit wachsender Laufzeit auch die Prämie, die sie zusätzlich zu den Zinsen kassierten. Aber der Zins war variabel. Wie Banken und Sparkassen ihn berechneten, war für den Kunden meist nicht erkennbar. Der jeweils aktuelle Satz sollte durch einen Aushang beim Geldinstitut bekannt gegeben werden. Mit anderen Worten: Das Institut passte ihn einseitig an. Nach Einschätzung von Jürgen Ellenberger ein Verhalten „nach Gutsherrenart“. Ellenberger, der Vorsitzende Richter im zuständigen XI. Senat des BGH, erklärte in der Begründung am Mittwoch, dass diese Regelungslücke geschlossen werden müsse.
Schon 2004 haben die Karlsruher
Richter erstmals entschieden, dass entsprechende Zinsanpassungsklauseln der Institute unzulässig waren. Geändert wurde dies in der Folge für Neuverträge, doch für viele Altverträge blieben die bestehenden Regeln gültig. Und wahrscheinlich hätten viele Kunden diese Benachteiligung gar nicht bemerkt, wenn nicht manche Sparkassen Prämiensparverträge in großem Stil gekündigt hätten. Das war mit höchstrichterlichem Bgh-segen rechtlich einwandfrei, sobald die Kunden die einmal vereinbarte Bonusstaffel ausgeschöpft hatten. Doch es führte dazu, dass Kunden ihre Verträge von Verbraucherschützern prüfen ließen, die klagten. Die Verhandlung vor dem BGH am Mittwoch war die erste von sechs Musterfeststellungsklagen, die die Verbraucherzentrale Sachsen angestrengt hat. Sie geht davon aus, dass es im Schnitt um 3100 Euro geht, die Banken und Sparkassen ihren Kunden erstatten müssen.
Sobald der Referenzzinssatz festgelegt ist, Verbraucher also einschätzen können, wie viel Zinsen auf ihren Vertrag hätten gezahlt werden müssen, könnten sie womöglich einen Anspruch auf Nachzahlung bei ihrer Bank geltend machen. Aber Vorsicht: Die Nachzahlungsansprüche verjähren drei Jahre nach Vertragskündigung zum jeweiligen Jahresende. Im Fall der Prämiensparverträge haben sich nicht nur Richter, Anwälte, Verbraucherschützer und Kunden mit dem Thema beschäftigt. Es hat auch die deutsche Finanzaufsichtsbehörde Bafin auf den Plan gerufen. Diese hat im Juni per Allgemeinverfügung die Geldhäuser verpflichtet, Prämiensparern über unwirksame Zinsanpassungsklauseln zu informieren.
Die betroffenen Institute müssten den Sparern auch erklären, ob diese durch die verwendeten Klauseln zu geringe Zinsen erhalten hätten, und ihnen in diesem Fall „unwiderruflich eine Zinsnachberechnung zusichern oder einen Änderungsvertrag mit einer wirksamen Zinsanpassungsklausel anbieten“, so die Bafin damals. Dass den Finanzaufsehern im Sommer der Geduldsfaden gerissen war, ließ sich aus einem Statement von Bafin-exekutivdirektor Thorsten Pötzsch heraushören: „Da eine einvernehmliche Lösung mit den Banken gescheitert ist, mussten wir auf diesen verbraucherschutzrelevanten Missstand mittels Allgemeinverfügung reagieren.“
Bei Verbrauchervertretern kam die Bgh-entscheidung positiv an: „Die Zeit der Ausreden ist mit diesem Urteil endgültig vorbei. Einige Banken und Sparkassen haben hier illegalerweise Menschen zu wenig Zinsen gezahlt. Sie müssen nun auch die Konsequenzen tragen. Die Institute sollten nun von sich aus auf alle betroffenen Kunden zugehen“, erklärte Julian Merzbacher, Verbraucherschutzexperte beim Verein Finanzwende. Der Sparkassenverband DSGV übte Kritik. Dass der anfängliche relative Abstand vom Sparzins zum Referenzzins beibehalten werden müsse, weiche „von der bisher allseits verwendeten Zinsberechnung“ab. Der relative Abstand sei für die Verbraucher nicht immer vorteilhaft. Deshalb sei die Bgh-entscheidung nicht unbedingt eine„im Interesse der Verbrauchers“.
„Die Zeit der Ausreden ist mit diesem Urteil endgültig vorbei“Julian Merzbacher Verbraucherschutzexperte beim Verein Finanzwende