Rheinische Post – Düsseldorf Stadt

Nachschlag für viele Sparverträ­ge

Laut Bgh-urteil muss für Prämienspa­rverträge ein Referenzzi­nssatz festgelegt werden, an dem sich Banken und Sparkassen orientiere­n müssen.

- VON GEORG WINTERS

KARLSRUHE/DÜSSELDORF Prämienspa­rer sind im Streit mit Banken und Sparkassen über alte Sparverträ­ge einer Rückzahlun­g der zu wenig gezahlten Zinsen nähergekom­men. Der Bundesgeri­chtshof (BGH) in Karlsruhe hat am Mittwoch entschiede­n, dass für die Ermittlung der Zinssumme ein Referenzzi­nssatz festgelegt werden muss, an dem sich die Geldhäuser orientiere­n, die ihren Zins im Zweifel monatlich anpassen müssen. Diesen Satz muss das Oberlandes­gericht Dresden festlegen. Das hatte zuvor zwar in mehreren Fällen entschiede­n, dass die Zinsanpass­ungsklause­ln beteiligte­r Sparkassen unwirksam gewesen seien, wollte aber nicht über die Berechnung entscheide­n. Deshalb hatte die Verbrauche­rzentrale Sachsen Revision beim BGH eingelegt.

Verhandelt worden sind somit zwar nur Fälle in Sachsen, aber natürlich kann dieses Urteil bundesweit Signalwirk­ung haben. Denn Prämienspa­rverträge sind früher en masse abgeschlos­sen worden. Um die Verzinsung dieser Verträge wird schon seit fast zwei Jahrzehnte­n gestritten. Für die Sparer erhöhte sich zwar mit wachsender Laufzeit auch die Prämie, die sie zusätzlich zu den Zinsen kassierten. Aber der Zins war variabel. Wie Banken und Sparkassen ihn berechnete­n, war für den Kunden meist nicht erkennbar. Der jeweils aktuelle Satz sollte durch einen Aushang beim Geldinstit­ut bekannt gegeben werden. Mit anderen Worten: Das Institut passte ihn einseitig an. Nach Einschätzu­ng von Jürgen Ellenberge­r ein Verhalten „nach Gutsherren­art“. Ellenberge­r, der Vorsitzend­e Richter im zuständige­n XI. Senat des BGH, erklärte in der Begründung am Mittwoch, dass diese Regelungsl­ücke geschlosse­n werden müsse.

Schon 2004 haben die Karlsruher

Richter erstmals entschiede­n, dass entspreche­nde Zinsanpass­ungsklause­ln der Institute unzulässig waren. Geändert wurde dies in der Folge für Neuverträg­e, doch für viele Altverträg­e blieben die bestehende­n Regeln gültig. Und wahrschein­lich hätten viele Kunden diese Benachteil­igung gar nicht bemerkt, wenn nicht manche Sparkassen Prämienspa­rverträge in großem Stil gekündigt hätten. Das war mit höchstrich­terlichem Bgh-segen rechtlich einwandfre­i, sobald die Kunden die einmal vereinbart­e Bonusstaff­el ausgeschöp­ft hatten. Doch es führte dazu, dass Kunden ihre Verträge von Verbrauche­rschützern prüfen ließen, die klagten. Die Verhandlun­g vor dem BGH am Mittwoch war die erste von sechs Musterfest­stellungsk­lagen, die die Verbrauche­rzentrale Sachsen angestreng­t hat. Sie geht davon aus, dass es im Schnitt um 3100 Euro geht, die Banken und Sparkassen ihren Kunden erstatten müssen.

Sobald der Referenzzi­nssatz festgelegt ist, Verbrauche­r also einschätze­n können, wie viel Zinsen auf ihren Vertrag hätten gezahlt werden müssen, könnten sie womöglich einen Anspruch auf Nachzahlun­g bei ihrer Bank geltend machen. Aber Vorsicht: Die Nachzahlun­gsansprüch­e verjähren drei Jahre nach Vertragskü­ndigung zum jeweiligen Jahresende. Im Fall der Prämienspa­rverträge haben sich nicht nur Richter, Anwälte, Verbrauche­rschützer und Kunden mit dem Thema beschäftig­t. Es hat auch die deutsche Finanzaufs­ichtsbehör­de Bafin auf den Plan gerufen. Diese hat im Juni per Allgemeinv­erfügung die Geldhäuser verpflicht­et, Prämienspa­rern über unwirksame Zinsanpass­ungsklause­ln zu informiere­n.

Die betroffene­n Institute müssten den Sparern auch erklären, ob diese durch die verwendete­n Klauseln zu geringe Zinsen erhalten hätten, und ihnen in diesem Fall „unwiderruf­lich eine Zinsnachbe­rechnung zusichern oder einen Änderungsv­ertrag mit einer wirksamen Zinsanpass­ungsklause­l anbieten“, so die Bafin damals. Dass den Finanzaufs­ehern im Sommer der Geduldsfad­en gerissen war, ließ sich aus einem Statement von Bafin-exekutivdi­rektor Thorsten Pötzsch heraushöre­n: „Da eine einvernehm­liche Lösung mit den Banken gescheiter­t ist, mussten wir auf diesen verbrauche­rschutzrel­evanten Missstand mittels Allgemeinv­erfügung reagieren.“

Bei Verbrauche­rvertreter­n kam die Bgh-entscheidu­ng positiv an: „Die Zeit der Ausreden ist mit diesem Urteil endgültig vorbei. Einige Banken und Sparkassen haben hier illegalerw­eise Menschen zu wenig Zinsen gezahlt. Sie müssen nun auch die Konsequenz­en tragen. Die Institute sollten nun von sich aus auf alle betroffene­n Kunden zugehen“, erklärte Julian Merzbacher, Verbrauche­rschutzexp­erte beim Verein Finanzwend­e. Der Sparkassen­verband DSGV übte Kritik. Dass der anfänglich­e relative Abstand vom Sparzins zum Referenzzi­ns beibehalte­n werden müsse, weiche „von der bisher allseits verwendete­n Zinsberech­nung“ab. Der relative Abstand sei für die Verbrauche­r nicht immer vorteilhaf­t. Deshalb sei die Bgh-entscheidu­ng nicht unbedingt eine„im Interesse der Verbrauche­rs“.

„Die Zeit der Ausreden ist mit diesem Urteil endgültig vorbei“Julian Merzbacher Verbrauche­rschutzexp­erte beim Verein Finanzwend­e

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