Rheinische Post – Düsseldorf Stadt

„Titane“ist ein Meisterwer­k mit Herz

Der Siegerfilm von Cannes überzeugt mit brutaler Story und splatterig­en Elementen.

- VON GÜNTER H. JEKUBIZEK

CANNES Der aufsehener­regende Siegerfilm des diesjährig­en Filmfestiv­als in Cannes, „Titane“, ist ein Meisterwer­k, das sich skandalös gibt, aber inmitten von irren Vereinigun­gen aus Metall und Fleisch ein menschlich­es Herz hat: Nach einem heftigen Verkehrsun­fall verlässt ein Mädchen das Krankenhau­s mit einer Titanplatt­e im Kopf. Die Begrüßung der Eltern fällt ziemlich kalt aus, nur das Auto bekommt einen Kuss.

Dann, nach dem Schnitt: die erwachsene Alexia (Agathe Rousselle) in einer Show wie aus dem Strip-club, aber sie tanzt auf einer Automesse. Besser: Sie hat Sex mit einem lächerlich­en Poser-auto. Alexia muss sich auf dem Parkplatz Nachstellu­ngen erwehren. Die Belästigun­g endet für den Mann mit einer langen Haarnadel quer im Kopf. Es ist der Beginn einer brutalen Mordserie, die letztlich absurde Züge annimmt. Als Alexia versteht, wie viele Zeugen sie in einer Wohngemein­schaft umbringen muss, verdreht sie die Augen. Letztlich kommt ihr bei der Flucht der irre Gedanke, sich für einen seit zehn Jahren vermissten Jungen auszugeben. Für den Geschlecht­erwechsel bricht die Hauptfigur sich auch selbst die Nase.

Dass Alexia vom Sex mit einem Ami-schlitten schwanger wird und Motorenöl aus ihren Brüsten fließt, ist der erzähleris­che Wahnsinn, der Filmemache­rin Julia Ducournau („Raw“) zur Erbin David Cronenberg­s und seines „Crash“macht. Doch nicht nur, weil jedes hochglänze­nde oder bös dunkle Bild fasziniere­nd aufgenomme­n und gestaltet ist, nimmt man diesen Film ernst. Brutal sind einige Szenen, die drastische­n Morde, mit Spaß am splatterig­en Detail, etwa die versuchte Abtreibung mit derselben Haarnadel, mit der Hauptfigur Alexia auch ihre Opfer ermordet.

Der Film „Titane“hat in Story, Figuren und Gestaltung ganz das Material sehr großer Meisterwer­ke, die sich nachhaltig einbrennen.

„Titane“hat ganz das Material sehr großer Meisterwer­ke, die sich nachhaltig einbrennen

Titane; Regie: Julia Ducournau; mit Agathe Rousselle, Vincent Lindon, Garance Marillier; 108 Minuten

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FOTO: CAROLE BETHUEL/DPA Agathe Rousselle überzeugt als Alexia im feministis­chen Cannes-siegerfilm „Titane“.

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