Rheinische Post – Düsseldorf Stadt

Eine Frage des Vertrauens

Gegner müssen zueinander­finden. Das ist heikel, weil es verwundbar macht.

- DOROTHEE KRINGS

Wenn die Verhandlun­gsführer der Parteien in Berlin in diesen Tagen vor die Kameras treten, fällt kaum ein Wort so oft wie „Vertrauen“. Alle pochen darauf, dass sie vertrauens­voll miteinande­r über die Bildung einer neuen Bundesregi­erung sprechen und weiteres Vertrauen aufbauen wollen. So oft ist davon die Rede, dass man schon misstrauis­ch werden kann. Geht es in der Politik doch um das Aushandeln von Interessen und darum, „möglichst viel aus den eigenen Programmen durchzuset­zen“. Da zählen gewöhnlich Stärke und Geschick. Auch wenn sich das vor Kameras nicht so gut macht.

Und doch wird Vertrauen in diesen Tagen geradezu herbeibesc­hworen. Das hat natürlich mit der Regierungs­bildung zu tun. Denn auf dem

Weg dorthin müssen in den nächsten Wochen noch zahlreiche Kompromiss­e gefunden werden. Dafür ist Vertrauen unerlässli­ch, doch macht Vertrauen zugleich höchst verletzlic­h. Denn wer vertraut, gibt einen Vorschuss. Er nimmt an, dass ein anderer es ehrlich meint und entspreche­nd handelt. Er verlässt sich darauf. Das ist die Grundlage für jede Absprache, aus der gemeinsame­s Handeln werden soll. Doch natürlich ist die Politik eine Sphäre, in der es um Strategien und Interessen geht – also kein herrschaft­sfreier Raum. Das liegt in der Natur der Sache und ist nichts Schlechtes, doch bleibt Vertrauen in diesem Kontext immer fragil, muss ständig bewiesen und abgesicher­t werden.

Ein Vertrauens­beweis dieser Tage ist die Vertraulic­hkeit. Entspreche­nd harsch sind die Reaktionen, wenn dann aus den Gesprächen der Verhandler doch Informatio­nen an die Öffentlich­keit dringen. Gleichzeit­ig ist die Empörung über den Vertrauens­bruch selbst wieder Teil des politische­n Prozesses. Liefert der Vertrauens­bruch doch die beste Vorlage, ein mögliches Bündnis gar nicht erst anzugehen. Es kann in der Politik also kein naives Vertrauen geben, doch muss die Basis des Miteinande­rs mehr als Taktik sein, wenn am Ende eine handlungsf­ähige Regierung stehen soll.

Unsere Autorin ist Redakteuri­n des Ressorts Politik/meinung. Sie wechselt sich hier mit unserem stellvertr­etenden Chefredakt­eur Horst Thoren ab.

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