Rheinische Post – Düsseldorf Stadt
Was die Ampel von Düsseldorf lernen kann
ANALYSE Im Bundestag wollen SPD, Grüne und FDP koalieren – im Düsseldorfer Stadtrat haben wir schon sechs Jahre lang erlebt, was dieses Bündnis kann und was nicht. Fünf Erkenntnisse aus der Kommunalpolitik.
DÜSSELDORF Die Zeichen in Berlin stehen auf Ampel. Die Düsseldorfer konnten sich schon von 2014 bis 2020 anschauen, wie ein Bündnis aus SPD, Grünen und FDP funktioniert. Klar, ein Stadtrat ist kein Bundestag – aber fünf Erkenntnisse aus der rheinischen Provinz lassen sich übertragen.
Zu dritt droht schneller Streit Die Ampel ist kommunikativ eine andere Herausforderung als ein Zweierbündnis. In Düsseldorf kehrte eine unruhigere politische Kultur ein als unter dem schwarz-gelben Bündnis, das zuvor regiert hatte und sich in der Regel hinter verschlossenen Türen stritt. Erschwerend kam hinzu, dass Oberbürgermeister Thomas Geisel (SPD) wenig Interesse an der Rolle des Moderators hatte – der ist aber gefragt. Düsseldorf bescherte das denkwürdige Konflikte auf offener Bühne wie den Streit um die Bewerbung zur Tour de France. Andreas Rimkus (SPD) und Marie-agnes Strack-zimmermann (FDP), die damals dabei waren, können jetzt den Kollegen im Bundestag vielleicht berichten, wie die Düsseldorfer ihre Konflikte ein wenig entschärfen konnten: mit einem Frühstück. Die Partner und der OB begannen irgendwann, sich regelmäßig bei Schnittchen auszutauschen. Das kühlte die Gemüter ein wenig ab.
In der Gesellschaftspolitik ist sich die Ampel nahe In die Ampelzeit fiel die Flüchtlingskrise, und den Bündnispartnern gelang es, sie ruhig und mit einer Stimme zu stemmen – das wäre mit der damals zerrissenen Union vermutlich schwerer geworden. In gesellschaftspolitischen Fragen von Integration bis sexueller Vielfalt haben die Ampelparteien ohnehin eine große Schnittmenge. Auch beim Thema Bildung ist man sich nahe: Der Ampel gelang ein historisches Schulbauprogramm. Sogar im Verkehr gab es anfangs ein mutiges Miteinander, das Bündnis verkündete erstmals eine vorsichtige Abkehr vom Auto als dominantem Verkehrsmittel. Es blieb zwar größtenteils bei theoretischen
Überlegungen – aber das ist eine andere Geschichte.
Wohnen ist Kampfgebiet Ausgerechnet bei einem der drängendsten Themen, dem Wohnen, hat es die Ampel schwer. Die Düsseldorfer Partner konnten sich noch darauf einigen, dass mehr Wohnungsbau sinnvoll wäre. Aber im Detail knirschte es schon dort. Die Grünen hatten Angst um Grünflächen, die FDP um die Qualität der Stadtentwicklung. Als es um behördliche Eingriffe in den Markt ging, war die rote Linie der Liberalen überschritten – zum Ärger der Partner. Am Ende reichte es nur für eine vorsichtige Wohnraumschutzsatzung, die sich vor allem gegen die Umwandlung zu Ferienapartments richtete – und von der FDP in fleißiger Textarbeit entschärft wurde.
Bündnisse gehen auch auf Augenhöhe Die Ampel war für Düsseldorf genau wie jetzt für Berlin in einer weiteren Hinsicht eine Premiere: Erstmals gab es keine Aufteilung in Volkspartei und kleines Korrektiv mehr, sondern einen Zusammenschluss von drei starken Partnern. In den besseren Momenten gelang es, dass sich alle respektieren und einander demonstrativ ernstnehmen. Das war für Düsseldorf auch der erste Testlauf für Koalitionen in einer zersplitterten Parteienlandschaft. Und es funktionierte.
Verhandelt zu Ende! Das Ampelbündnis war keine Koalition, die Partner entschieden sich für eine Kooperation. Das bedeutete: Wenn es nicht ums Geld ging oder wenn es Themen betraf, die nicht verhandelt waren, dürfte jede Fraktion für sich stimmen. Klingt nach Freiraum, war aber Murks. Nicht zuletzt, weil die Regierungszeit mit sechs Jahren ungewöhnlich lang war und daher immer mehr unverhandelte Fragen dazukamen. Gegen Ende bestärkte die Regelung die Fliehkräfte im Bündnis. Wer zum Beispiel wissen wollte, wie gerade die Stimmungslage zum Aufregerthema Umweltspuren war, musste alle Fraktionen abklappern. So etwas wie eine gemeinsame Haltung fiel immer schwerer, auch wenn das Bündnis offiziell nie gelöst wurde. Das schwächte die Stadtregierung. Also, Berliner: Lieber jetzt mehr Zeit nehmen und alle Streitpunkte klären. Später seid ihr froh.