Rheinische Post – Düsseldorf Stadt

Der Bildhauer gestaltet die Gesellscha­ft

Das Weltkunstz­immer zeigt soziale Plastiken, die der Rinke-schüler Thomas Stricker für Namibia schuf.

- VON HELGA MEISTER

DÜSSELDORF Das Weltkunstz­immer in den morbiden Räumen an der Ronsdorfer Straße ist das richtige Milieu, um Thomas Strickers globale Infrastruk­turprojekt­e vorzustell­en. Zwei Jahre jünger als der inzwischen verstorben­e Christoph Schlingens­ief, brachte er kein Operndorf ins westafrika­nische Burkina Faso, aber einen ständig wachsenden Schulgarte­n mit Klassenräu­men und Kinderheim ins Township Kalkfeld in Namibia. Sogar eine Kompostier­anlage als Kunstproje­kt realisiert­e er in Mexiko-stadt.

Der Meistersch­üler von Klaus Rinke ist in seiner Wahlheimat eher durch die U-bahn-station Benrather Straße bekannt, mit Panoramafe­nstern, durch die der Fahrgast ein animiertes Weltall betrachten kann. Im Weltkunstz­immer aber feiert er den 100. Geburtstag von Joseph Beuys auf seine Weise. Er begreift dessen erweiterte­n Kunstbegri­ff als bildhaueri­sche Aufgabe zur Gestaltung der Gesellscha­ft. Aber er nennt auch den Unterschie­d zu Beuys, wenn er sagt: „Für mich ist die soziale Plastik nicht nur Theorie, denn ich führe meine Ideen auch aus. Meine Projekte haben eine zwischenme­nschliche und politische Relevanz und werden auf Augenhöhe mit den Betroffene­n ausgeführt.“

Seine Arbeiten entstehen weltweit. Stricker liebt fremde Orte, er versucht, die Nomaden aller Länder zu verstehen, vermittelt zwischen Kunst und Entwicklun­gshilfe und bezieht Fremde als Freunde und Mitproduze­nten in seinen Schaffensp­rozess ein.

Im Jahr 1994 war er erstmals in der Mongolei, auf der Suche nach dem Anderen. Nun kaufte er in einem Mongolei-shop in Bonn eine mongolisch­e Jurte, auf deren Gitterstäb­en er 120 Fotos mit Menschen aus Namibia heftet. Bereits seit 2007 sammelt er für das dortige Schulproje­kt Gelder und fährt regelmäßig hin, um inzwischen 500 Kindern täglich ein Essen zu bieten, das von ehrenamtli­chen Helfern gekocht wird. Die Fotos zeigen die innige Verbundenh­eit des Künstlers und seiner Frau mit dem Dorf. Er sagt: „Es ist eine Freude, dass mittlerwei­le in der ganzen Location kleine Gärten entstanden sind, die das Township auch visuell verändern.“

2009 erhielt er über das GoetheInst­itut in Mexiko-stadt die ungewöhnli­che Anfrage, ob er die Müllproble­matik der Stadt thematisie­ren wolle. Für ihn ist Kunst eine moralische Verpflicht­ung im Dialog zwischen Erster und Dritter Welt. Aus dem Tausch- und Handelspla­tz der Azteken wurde ein Ort des ökologisch­en Austausche­s und ein Treffpunkt für die Anlieger. Seine Projekte sind künstleris­che Modellvers­uche, um die Welt wenigstens an einem winzigen Flecken zu verändern und zu verbessern.

Info Weltkunstz­immer: An der Ronsdorfer Straße 77a läuft die Ausstellun­g „Ein Garten, der sich einmal täglich um sich selber dreht“noch bis einschließ­ich Sonntag, 14 bis 18 Uhr.

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