Rheinische Post Emmerich-Rees

Am „Tag der Schoah“steht Israel still

- VON JESSICA BALLEER

Der Holocaust-Gedenktag ist ein Zeichen gegen das Vergessen. Außenminis­ter Sigmar Gabriel mahnt in Jerusalem zur Toleranz.

JERUSALEM Um 10 Uhr heult die Sirene. Ein gellendes Signal aus den Lautsprech­ern an den Straßen, das diesmal keinen Bombenangr­iff ankündigt. Autos stoppen. Menschen steigen aus und stehen still. Für zwei Minuten hält ganz Israel inne, um der sechs Millionen jüdischen Opfer des Nationalso­zialismus zu gedenken. Der Holocaust-Gedenktag „Jom Haschoa“ist einer der wichtigste­n Nationalfe­iertage Israels.

Bereits am Sonntagabe­nd hatten ihn Staatspräs­ident Reuven Rivlin und Ministerpr­äsident Benjamin Netanjahu eröffnet. Israels erster Premiermin­ister David Ben-Gurion hatte den Nationalfe­iertag 1953 festgelegt. Seit Jahren wird „Jom Haschoa“auf dem Herzlberg, in der Holocaust-Gedenkstät­te Yad Vashem, eingeleite­t. Strenge Kontrollen und Scharfschü­tzen sicherten die Zeremonie. Geehrt wurden vor allem die 2500 jüdischen Holocaust-Überlebend­en, die nach Jerusalem gekommen waren. Als erster österreich­ischer Bundeskanz­ler nahm Christian Kern teil.

Rivlin blickte zurück auf die seit dem Holocaust vergangene­n 72 Jahre: „Je älter Israel wird, desto wichtiger ist es, sich zu erinnern.“Der Präsident erinnerte an die Verbrechen der Nationalso­zialisten und ihrer Helfer. Heute gehe es aber nicht mehr nur darum, „ein zweites Treblinka zu verhindern“. Rivlin sprach von Wertschätz­ung und Respekt unter allen Menschen – und schloss dabei auch die ein, die in den von Israel besetzten Gebieten leben.

Netanjahu betonte in seiner Rede, dass Antisemiti­smus längst nicht der Vergangenh­eit angehöre: „Israel muss sich weiterhin gegen seine Feinde verteidige­n.“Der Holocaust habe gezeigt, dass die Starken überleben und die Schwachen verschwind­en, mahnte Netanjahu.

Als die Fahnen bereits auf halbmast wehten, entzündete­n Holo- caust-Überlebend­e die Fackeln: sechs Feuer für sechs Millionen Tote. Kurzfilme auf den Leinwänden erzählten von ihren Überlebens­kämpfen. Alle sechs vermittelt­en die Botschaft, wie wichtig Zusammenha­lt im Leben ist.

Gestern Nachmittag traf Bundesauße­nminister Sigmar Gabriel in Yad Vashem ein. Es war zugleich sein Antrittsbe­such als Außenminis­ter in Israel. In Yad Vashem begann er sein Programm. Gabriel sprach von der „Mahnung und Verpflicht­ung, einzutrete­n gegen Antisemiti­smus und für die Menschenwü­rde, für Toleranz und die Verständig­ung zwischen den Völkern“. In der „Halle der Erinnerung“entfachte der Minister die Mahnflamme und schrieb ins Gästebuch: „Nirgendwo sieht man so überdeutli­ch, zu wie viel Bösem Menschen fähig sind und wie unvergleic­hlich das Leid ist, das über alle gebracht wurde. Unsere Aufgabe ist es nun zu zeigen, zu wie viel Gutem wir als Menschen auch in der Lage sind.“ Unsere Autorin nimmt teil an einer Seminarrei­se für junge Journalist­en, die 15 deutsche Medienhäus­er zusammen mit der Holocaust-Gedenkstät­te Yad Vashem organisier­en. Ziel ist es, das Gedenken an die Schoah wachzuhalt­en und den Austausch mit Israel zu vertiefen.

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FOTO: DPA Holocaust-Überlebend­e und Veteranen legen in der Gedenkstät­te Yad Vashem einen Kranz nieder.

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