Rheinische Post Emmerich-Rees

Das erste Buch über Reeser Platt

- VON MICHAEL SCHOLTEN

Die gebürtige Reeserin Agnes Jay hat in fünfjährig­er Recherchea­rbeit ein Nachschlag­ewerk zur Reeser Mundart erstellt. Es ist beim BürgerServ­ice im Rathaus und in der Bücherecke erhältlich.

REES Das Verbotene wirkt immer reizvoll auf Kinder. Und so zahlt sich nach fast 70 Jahren aus, dass Agnes Jay als Mädchen kein Reeser Platt sprechen durfte. Die Tochter des Landwirts Eugen Lörcks und der Hebamme Else Lörcks sollte „anständige­s“Hochdeutsc­h lernen, um eine gute Ausbildung genießen zu können. Der Plan ging auf: Agnes Jay machte 1966 ihr Abitur in Aspel, studierte in Köln Anglistik und Geschichte und wurde Lehrerin. Doch das Reeser Platt, das einst alle Erwachsene­n in ihrem Umfeld sprachen, ging ihr nie aus dem Kopf.

„Sobald ich nach Rees kam und im Bus oder auf dem Markt die Sprache hörte, fühlte ich mich zu Hause“, sagt Agnes Jay, die heute in Kettwig wohnt. 2012 ging sie in Pension und beschloss, genau jenes Buch zu schreiben, das sie schon als Schülerin vergeblich in der Bibliothek des Pius-Hauses gesucht hatte: ein Wörterbuch über Reeser Platt. „Die Sprache ist ausdruckss­tark und bildstark, manchmal etwas derb, aber ich verbinde mit ihr viele wunderbare Erlebnisse“, sagt Agnes Jay, die ihren Rees-untypische­n Familienna­men der Heirat mit Edward Jay aus Panama verdankt.

Die insgesamt fünfjährig­e Recherchea­rbeit für das Buch begann mit zwölf Din-A4-Seiten, auf denen Agnes Jay alle Begriffe notierte, an die sie sich noch erinnern konnte. „Mein Vater sprach immer Platt mit uns“, sagt die Autorin und lobt Eugen Lörcks, der „seiner Zeit um Jahrzehnte voraus war“. Weil die Mutter oft außer Haus arbeitete, erzog der Vater die vier Kinder, kochte das Essen und flocht den Mädchen morgens die Zöpfe.

Agnes Jay wertete auch alte Reeser Bücher aus und war stets auf der Suche nach bislang unbekannte­n Begriffen auf Reeser Platt. Im Frühjahr 2013 besuchte sie den BürgerServ­ice im Reeser Rathaus und bat um Tipps, welche alten Reeser ihre Recherchen überprüfen und korrigiere­n könnten. So entstand der Kontakt zum Reeser Geschichtv­erein Ressa, dessen Mitglieder Hermann Venhofen und Hermann Voss fortan wertvolle Hilfe leisteten. Schnell kam Material für 500 Buchseiten zusammen, auf denen nicht nur „Rotzduuk“(Taschentuc­h), „Rötelkont („heimlicher Verleumder“) und viele hundert weitere Wörter erklärt werden, sondern auch Sitten, Spiele, Lieder oder landwirtsc­haftliche Geräte beschriebe­n sind. „In der Zeit, die ich in dieses Nachschlag­ewerk investiert habe, hätte ich auch sechs oder sieben Romane schreiben können“, sagt Agnes Jay, „aber das war mir ein besonderes Anliegen und hat mir Spaß gemacht.“Zudem war die Arbeit ehrenamtli­ch. Der Verkaufspr­eis von 19,90 Euro deckt nicht einmal die Druckkoste­n und wird durch eine Spende der Sparkasse Rhein-Maas ermöglicht. „Reeser Platt – Ein Nachschlag­ewerk“ist ab sofort beim BürgerServ­ice im Rathaus und in der Bücherecke auf der Dellstraße erhältlich.

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