Rheinische Post Emmerich-Rees

Autobauern drohen Milliarden-Strafen

- VON ANTJE HÖNING

Die EU-Kommission ermittelt wegen des Kartellver­dachts, die Aktien der Hersteller sacken weiter ab. Aktionärs- und Verbrauche­rschützer sind alarmiert. Morgen kommt der VW-Aufsichtsr­at zu einer Sondersitz­ung zusammen.

WOLFSBURG Der Druck auf die Autobauer wächst. Die Bundesregi­erung bestätigte, dass die Behörden sich der Kartellvor­würfe angenommen haben. Nach Angaben des Wirtschaft­sministeri­ums übernimmt die EU-Kommission die Federführu­ng der Untersuchu­ng. Das Bundeskart­ellamt sei ebenfalls informiert. Laut „Spiegel“besteht der Verdacht, dass sich Volkswagen, Daimler, BMW, Porsche und Audi über Jahrzehnte bei Techniken, Kosten, Strategien und der AdblueTech­nik zur Abgasreini­gung abgesproch­en haben.

„Ein mögliches Auto-Kartell ist alles andere als nur ein Kavaliersd­elikt, es kann einige Milliarden Euro an Strafzahlu­ngen nach sich ziehen“, sagt Stefan Bratzel von der FH Bergisch Gladbach. Denn die Spielregel­n der EU sehen vor, dass diese Bußgelder von bis zu zehn Prozent des Jahresumsa­tzes verlangen kann. Damit könnte allein bei VW mit einem Umsatz von 210 Milliarden Euro ein Bußgeld von bis zu 21 Milliarden fällig werden. Die Aktien gingen folglich in die Knie: Volkswagen verlor zeitweise 3,5 Prozent, Daimler 3,3 und BMW 2,3 Prozent.

Die Untersuchu­ngen dürften komplex werden. Zum einen geht es um Vorgänge über einen Zeitraum von 20 Jahren mit vielen Beteiligte­n. Zum anderen müssen die Behörden unterschei­den, was erlaubte Zusammenar­beit und was verbotene Absprache ist. „Standardis­ierungsund Normierung­saktivität­en sind weder schädlich noch illegal. Absprachen zulasten des Verbrauche­rs oder des Wettbewerb­s hingegen schon“, erklärte der Verband der Automobili­ndustrie (VDA).

Zwar haben Volkswagen und Daimler, als ihnen die Gespräche in der „5er Runde“zu heiß wurden, eine Art Selbstanze­ige bei der EU eingereich­t. Damit hoffen sie, in den Genuss einer Kronzeugen­regelung zu kommen. Denn wer ein Kartell auffliegen lässt, kann mit Gnade bei den Bußgeldern hoffen. Die spannende Frage ist nun, wer der Erste war. Laut „Süddeutsch­er Zeitung“hat sich Daimler früher an die Behörden gewendet. Haben die Schwaben genug Material geliefert, können sie darauf hoffen, ohne Strafe davonzukom­men. Für Volkswagen wäre dann allenfalls noch ein Strafnachl­ass in Höhe von maximal 50 Prozent möglich – und das auch nur, wenn VW Material geliefert hat, das deutlich über das von Daimler hinausgeht. Arbeitnehm­er, Aktionäre und Verbrauche­r sind alarmiert. Arbeitnehm­er „Arbeitsplä­tze dürfen nicht durch kartellwid­riges Verhalten riskiert werden“, warnte etwa der Chef des Daimler-Betriebsra­ts, Michael Brecht. Die Arbeitnehm­er fürchten, dass die Konzerne Sparprogra­mme auflegen, um mögliche Strafen und Umsatzeinb­rüche stemmen zu können. Porsche-Betriebsra­tschef Uwe Hück hat bereits per „Bild“-Zeitung die Freistellu­ng von Audi-Vorständen gefordert. Audi liefert Porsche die umstritten­en Diesel-Motoren: „Ich werde nicht zulassen, dass Porsche durch Trickserei­en von Audi in Gefahr gerät“, so Hück. Morgen kommt der Aufsichtsr­at von Volkswagen zu einer außerorden­tlichen Sitzung zusammen, Arbeitnehm­er und Politik fordern Aufklärung. Niedersach­sens Wirtschaft­sminister Olaf Lies (SPD) kritsierte, dass der Aufsichtsr­at von den Vorwürfen aus der Presse erfahren habe. Aktionäre Die Schutzvere­inigung für Wertpapier­besitz (DSW) fürchtet, dass Aktionäre durch Kursverlus­te und Dividenden­rückgänge geschädigt werden. „Die Anteilseig­ner stehen in Deutschlan­d in solchen Fällen immer ganz am Ende der

Mit Klagen von Kunden rechnen auch die Verbrauche­rzentralen. „Bestätigt sich der Verdacht der Kartellabs­prachen, handelt es sich um vorsätzlic­he organisier­te Verbrauche­rtäuschung“, sagte deren Chef Klaus Müller. Und Kunden hätten noch nicht mal etwas von einer möglichen Kartellstr­afe: „Von einer Strafe profitiere­n nicht die individuel­l betroffene­n Verbrauche­r, sondern der Finanzmini­ster.“ Zulieferer Der Branchenve­rband warnte gestern vor Vorverurte­ilungen, betonte aber auch, den Ruf der Branche mit ihren Hunderten Zulieferer­n nicht zu ruinieren: „Aus Sicht des VDA sind illegale Absprachen ebenso wie ein Surfen in rechtliche­n Grauzonen inakzeptab­el.“

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