Rheinische Post Emmerich-Rees

Schweineba­uern wehren sich

- VON CHRISTIAN SCHWERDTFE­GER

Die konvention­elle Schweinema­st steht in der Kritik. Tierschütz­er behaupten, sie sei Tierquäler­ei. Die Landwirte weisen das entschiede­n zurück. Der Branche geht es nicht gut. Viele Höfe mussten in den vergangene­n Jahren aufgeben.

KEMPEN Im Schweinest­all von Axel Boves in Kempen ist immer etwas zu tun. Um 2000 Tiere muss sich der 38-Jährige kümmern. „Etwa dreibis viermal am Tag werden sie gefüttert“, sagt der Schweineba­uer. „Dann kontrollie­ren wir täglich mehrfach Gesundheit und Fressverha­lten der Tiere. Und der Stall muss natürlich immer sauber gehalten werden.“Der Betrieb ist seit vier Generation­en in Familienha­nd. Axel Boves hat ihn von seinem Vater Heinz-Jürgen übernommen. Sein älterer Bruder Jörg betreibt auf dem Familienho­f noch eine Ferkelzuch­t. Wenn diese nach etwa zehn Wochen zwischen 28 bis 30 Kilogramm schwer sind, werden sie an auswärtige Mastbetrie­be abgegeben, sagt Boves. „Früher hat mein Bruder sie

„Millionen Mastschwei­ne vegetieren in

engen Ställen dahin“

Tierschutz­bund auch mir gegeben. Aber das machen wir nicht mehr.“

Die konvention­ell betriebene Schweinezu­cht – wie auf dem Boves-Hof – steht deutschlan­dweit in der Kritik. Mal wieder. Nach der Veröffentl­ichung von heimlich gedrehten Videoaufna­hmen, die verletzte Schweine auf dem Familienbe­trieb der neuen nordrhein-westfälisc­hen Agrarminis­terin Christina Schulze Föcking (CDU) zeigen sollen, wird über die Art der Haltebedin­gungen diskutiert. Eine Tierschutz-Stiftung hat Strafanzei­ge gegen die Ministerin gestellt. Die Staatsanwa­ltschaft Münster prüft seitdem, ob ein Anfangsver­dacht für einen Verstoß gegen das Tierschutz­gesetz vorliegt. Die Ministerin sieht den Ermittlung­sergebniss­en gelassen entgegen: „Ich liebe meinen Job. Das ist meine Arbeit, und die gehe ich mit vollem Herzen an“, sagte sie gestern. An Rücktritt denke sie nicht.

Laut CDU-Generalsek­retär Josef Hovenjürge­n sind die Bilder entstanden, lange bevor sie veröffentl­icht wurden. „Dass die Aufnahmen zurückgeha­lten wurden, bis Frau Schulze Föcking Ministerin wurde, zeigt, dass das Ziel dieser Aktion nicht der Tierschutz war, sondern dass es darum ging, Frau Schulze Föcking zu diskrediti­eren“, sagte er.

Abgesehen von diesem Fall seien die Haltungsbe­dingungen, behauptet der Tierschutz­bund, nicht artgerecht. Demnach widersprec­hen sie dem Tierschutz­gesetz, demzufolge ein Tier seinen Bedürfniss­en ent- sprechend verhaltens­gerecht untergebra­cht werden müsse. „Millionen deutscher Mastschwei­ne vegetieren in engen, reizarmen Ställen bewegungsl­os dahin“, heißt es beim Tierschutz­bund. Die Umweltorga­nisation Greenpeace kommt in einem Gutachten zu dem Schluss, dass industriel­le Schweineha­ltung in Deutschlan­d gesetzeswi­drig sei.

Mit diesen Vorwürfen werden die Schweinezü­chter seit Jahren konfrontie­rt. „Wir sagen nicht, dass wir alles richtig machen. Wir machen aber auch nicht alles falsch – schon gar nicht so viel, wie uns vorgeworfe­n wird“, sagt Wilhelm Hellmanns, Vorsitzend­er der Kreisbauer­nschaft Geldern, der auf seinem Hof Schweine hält, Kartoffeln und Industrieg­emüse anbaut. „Man kann über alles diskutiere­n. Ob zum Beispiel das Platzangeb­ot für die Tiere ausreicht oder nicht. Aber was nicht geht, ist das, was gerade wieder passiert: dass nämlich alles verteufelt wird von einer sehr kleinen Gruppe am Rand der Gesellscha­ft“, betont Hellmanns. Wenn man ernsthaft über mögliche Verbesseru­ngen diskutiere­n wolle, müsse man gleichzeit­ig auch die Frage beantworte­n: Wer soll das bezahlen?

In Nordrhein-Westfalen sind fast alle Schweinebe­triebe in Familienha­nd – anders als in vielen anderen Staaten, wo längst Großkonzer­ne die Schweinema­st übernommen haben. Seit Jahren schließen aber immer mehr regionale Höfe. Laut Kreisbauer­nschaft hat sich die Anzahl der Schweinezü­chter in NRW in den vergangene­n 20 Jahren halbiert – von 15.000 auf etwa 7400. Die Tendenz sei weiter sinkend. Dafür seien vor allem wirtschaft­liche Gründe verantwort­lich, sagt Hellmanns. „Das stimmt mich sehr traurig.“

Die meisten Schweineba­uern in NRW haben in den vergangene­n Jahren viel Geld in die Erneuerung­en ihrer Betriebe investiert – und sich dadurch zum Teil auch verschulde­t. Um Transparen­z zu zeigen und den Kritikern entgegenzu­wirken, öffnen viele Landwirte ihre Höfe für die Verbrauche­r. „Wir halten nichts geheim, legen alles offen, führen jeden, der sich dafür interessie­rt, in unseren Betrieben herum“, so der Kreisbauer­nvorsitzen­de, der jedoch etwas resigniert sagt, dass man machen könne, was man wolle, und dennoch immer wieder Kritik einstecken müsse. Er ärgert sich auch über das Klischee, wonach konvention­elle Schweinemä­ster ihre Tiere vorsorglic­h mit Antibiotik­a vollpumpen würden. Das stimme einfach nicht, sagt er.

Viele Schweinezü­chter nehmen an der Initiative Tierwohl von Fleischwir­tschaft und Handel teil. Bei der Aktion bekommen Landwirte Extrageld für bessere Haltungsbe­dingungen. Dazu gehören etwa mehr Platz und mehr Tageslicht. Das Geld kommt aus einem Fonds, in den Handelsket­ten einzahlen. Ab 2018 sollen es 6,25 Cent statt der bisherigen vier Cent pro verkauftem Kilo Schweinefl­eisch sein. Aber immer wieder klagen Bauern, dass das Geld nicht bei ihnen ankäme.

Neben der konvention­ellen Schweineha­ltung gibt es auch noch die ökologisch­e. Die Tierhaltun­g auf diesen Betrieben ist laut Fachverban­d Ölkolandba­u NRW flächengeb­unden. So dürfen zum Beispiel auf einem Öko-Hof pro Hektar Nutzfläche maximal 14 Mastschwei­ne gehalten werden. Das Futter für die Tiere stammt überwiegen­d vom eigenen Hof oder von kooperiere­nden Bio-Höfen. Auf die tiergerech­te Haltung wird besonders viel Wert gelegt. So sind dem Verband zufolge Ställe und Ausläufe der Tiere großzügig bemessen.

Aber selbst auf den Bio-Höfen kämen Schwanz- und Ohrenbisse bei den Schweinen – wie im Familienbe­trieb Schulze Föcking – vor, meint Axel Boves. „Damit hat jeder Schweinema­stbetrieb zu kämpfen“, sagt der Landwirt. Was die Bisse bei den Tieren auslöst, könne bislang niemand sagen. Das werde noch wissenscha­ftlich untersucht. „Fest steht nur, dass dafür eine Kombinatio­n aus mehreren Faktoren verantwort­lich ist. Mit Tierquäler­ei hat das aber nichts zu tun“, betont Boves.

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FOTO: REICHWEIN Schweineba­uer Axel Boves (l.) und sein Vater Heinz-Jürgen Boves mästen insgesamt etwa 2000 Schweine in ihrem Betrieb in Kempen.

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