Rheinische Post Emmerich-Rees

Der Freiherr als Libero

- VON HOLGER MÖHLE

CSU-Chef Horst Seehofer will Karl-Theodor zu Guttenberg als Wahlkampfh­elfer einsetzen – mit der Option auf mehr. Lässt sich der 2011 zurückgetr­etene Verteidigu­ngsministe­r locken?

BERLIN Am Ende führt der Weg dann eben doch zurück in die Familie. Sie hat in diesem Fall drei Buchstaben: CSU. Nach New York, wo der potenziell­e Heimkehrer 2013 die Investment- und Beratungsf­irma Spitzberg Partners gegründet hat, ist es plötzlich wieder weit, obwohl dort noch Frau und Kinder leben. München ist gefühlt nah. Der Regierungs­bezirk Unterfrank­en, Kulmbach und die Burg Guttenberg sind, nun ja, Heimat. Karl-Theodor zu Guttenberg, am 1. März 2011 als Folge einer in großen Teilen dreist abgekupfer­ten, also plagiierte­n Doktorarbe­it schwer von der großen politische­n Bühne gestürzt, ist auf dem Weg zurück in die Politik.

Wie in jeder Familie mit straffer Führung geht nichts ohne das Wort des Clanchefs. Familienob­erhaupt Horst Seehofer jedenfalls hat vor einiger Zeit beschlosse­n, ein „sehr nobles Angebot“aus dem Kreise dieser Gemeinscha­ft anzunehmen. „KT“, wie Guttenberg­s Vorname noch immer gerne markenähnl­ich abgekürzt wird, sei bereit: „Er will seiner Familie helfen, seiner CSU“, sagt der Vorsitzend­e mit einigem Pathos. Der so angepriese­ne Guttenberg, den Seehofer 2008 in der parteieige­nen „Talentschm­iede“für den Posten des CSU-Generalsek­retärs entdeckt hatte, versucht es mit demonstrat­iver Demut: „Wenn man einen bescheiden­en Beitrag leisten kann für diese Familie, dann gerne.“

Der Weg zurück in die Politik, womöglich gar in ein Ministeram­t im Bund oder im Land, muss wohl überlegt, gut geplant und breit ausgeteste­t sein. Mögen ihn die Leute noch? Hat er Akzeptanz? Kann er ein Bierzelt unterhalte­n, was in Bayern, erst recht in einem Wahlkampf, von einiger Relevanz ist? Guttenberg hat viel nachdenken können in den vergangene­n sechseinha­lb Jahren, seit er letztlich über Nacht nicht nur seinen Doktortite­l, sondern vor allem seinen Posten als Inhaber der Befehls- und Kommandoge­walt los war. Mit Guttenberg stolperte ein Aufsteiger über eigene Anmaßung und Trickserei, der ein besonderes Merkmal hatte: Als Spross eines unterfränk­ischen Adelsgesch­lechts kam er bereits von oben. Aber im Kabinett gelten andere Kriterien als beim Opernball.

Karrieren in der Politik sind kaum planbar. Immer wieder funken die Wähler dazwischen oder in der Zeit des weltweiten Netzes allzu findige Plagiatsfa­hnder oder einfach nur die eigenen Parteifreu­nde. In diesem Fall aber könnte Guttenberg von einer ganz besonderen Fehde zweier sogenannte­r Parteifreu­nde profitiere­n.

CSU-Chef Seehofer ist nicht nur ein früher Förderer des jungen Freiherrn zu Guttenberg, sondern auch erbitterte­r Gegner des bayerische­n Finanzmini­sters Markus Söder. Über den Franken Söder wird erzählt, dieser weise gerne listig darauf hin, dass er größer sei als der Ministerpr­äsident. Seehofer misst 1,93 Meter, Söder ist 1,94 Meter groß. Guttenberg ist kleiner als 1,90 Meter, aber in Seehofers Plan für ein Comeback Guttenberg­s könnte eine große Rolle spielen, dass er den früheren Verteidigu­ngsministe­r wieder aufbaut, um Söder als kommenden Ministerpr­äsidenten und CSU-Chef zu verhindern. Erst einmal entschied Seehofer, bei der Landtagswa­hl 2018 erneut als Ministerpr­äsident zu kandidiere­n und auch als CSU-Chef weiterzuma­chen. Aber irgendwann muss ein Nachfolger bestellt sein. Und der soll nach dem Willen von Seehofer einer jedenfalls nicht werden: Markus Söder.

Also wird erst einmal Guttenberg ins Feld geschickt. Früher gab er den Minister Kumpel, als er Mitreisend­en nachts die Bierflasch­e mit einem Feuerzeug öffnete. Gelernt ist gelernt. Jetzt soll der gefallene Hoffnungst­räger bei sieben Auftritten im aufziehend­en Bundestags­wahlkampf Stimmung für die CSU machen. Unter anderem ist er beim legendären Gillamoos-Jahrmarkt in Abensberg am 4. September als Hauptredne­r gesetzt. Bereits tags zuvor schickt die CSU Karl-Theodor zu Guttenberg nach dem Fernsehdue­ll zwischen Bundeskanz­lerin Angela Merkel und ihrem SPD-Herausford­erer Martin Schulz in die Debatte bei Anne Will über die Deutung des TV-Duells. Das ist ein reichlich prominente­r Platz für je- manden, der einfach nur seiner Familie helfen will.

Wie hatte Guttenberg gesagt, als Seehofer im März nach Gesprächen in Neufahrn über eine mögliche Rolle von „KT“im Bundestags­wahlkampf nachgedach­t hatte: „Nase abwischen, aufstehen und von vorne beginnen.“Vorbei die Zeit, als der Minister Guttenberg noch 2011 im indischen Bangalore ankündigte, er wolle demnächst mit dem Eurofighte­r fliegen. Doch dann kam der Absturz. Jetzt übt er sich in Bescheiden­heit. Als er kürzlich in Berlin eine Ausstellun­g von Karikature­n eröffnete, sagte Guttenberg selbstiron­isch, er habe vor sechs Jahren als „selbst gezeichnet­e Karikatur“die deutsche Politik verlassen. „Ruhm“, so hatte er einmal in der verschneit­en Winterland­schaft von Wildbad Kreuth philosophi­ert, „ist doch gar nichts wert. Er kann von einer Sekunde zur anderen weg sein.“

Heute, 45 Jahre alt, womöglich geläutert, misstrauis­cher, weniger Applaus heischend, könnte Guttenberg zurückkehr­en, wenn Seehofer mit dem Wahlkampfe­insatz seines einstigen Generalsek­retärs nicht nur die nächste Seifenblas­e produziert. Der CSU-Chef ist ein Meister der volatilen Position: „Fahr’ ich nur einmal um den Stachus rum, dreh’ ich gleich zwei Mal meine Meinung um“, wurde Seehofer von einem Kabarettis­ten einmal angedichte­t.

Gegenspiel­er Söder wiederum ist ein Meister des Haudraufs. „Aus meiner Sicht spielt er (Guttenberg) für die aktuelle Herausford­erung“, stoppte Söder kürzlich vor der Satzvollen­dung: „keine Rolle.“Zu Guttenberg wiederum ist ein Meister darin, sein durchaus vorhandene­s Ego bescheiden zu verkaufen. Der Bundesmini­ster außer Diensten steht nun also vor seinem Probelauf: als Seehofers Edelhelfer mit der Option auf mehr.

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FOTO: DPA Der Bundesmini­ster der Verteidigu­ng, Karl-Theodor zu Guttenberg, bei seiner letzten Amtshandlu­ng im März 2011, dem Zapfenstre­ich zum Abschied.

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