Rheinische Post Emmerich-Rees

Kartellexp­erten erwarten hartes Verfahren

- VON ANTJE HÖNING UND GREGOR MAYNTZ

Der inhaftiert­e VW-Manager in den USA will sich schuldig bekennen. Die Kurse von VW und BMW gehen wegen des Kartellver­dachts weiter auf Talfahrt. Grüne und Linke verlangen die Entlassung des Verkehrsmi­nisters.

BERLIN Die Anleger sind sich einig: Die ganz bösen Buben beim Autokartel­l sind Volkswagen und BMW, Daimler kommt dank seiner rechtzeiti­gen Selbstanze­ige womöglich mit einem blauen Auge davon. Und so gingen die Kurse von VW und BMW gestern den dritten Tag in Folge auf Talfahrt, der Daimler-Kurs notierte dagegen knapp im Plus. „Mal abgesehen von den möglichen Milliarden­strafen schätzen wir vor allem das Reputation­srisiko sowie eine etwaige Regulierun­gswelle für die Branche als die größeren Risiken ein“, sagte Clemens Bundschuh, Analyst der Bank LBBW.

Die Konzerne stehen im Verdacht, über Jahre Standards, Märkte und Strategien abgesproch­en zu haben. Daimler und VW sollen 2016 eine Art Selbstanze­ige eingereich­t haben – Daimler aber vor VW, was für den Rabatt bei einer Kartellstr­afe entscheide­nd wäre. Die EU führt das Verfahren, zuständig ist Kommissari­n Margrethe Vestager, die schon bei Google hart durchgriff.

Der Kartellexp­erte Justus Haucap rechnet mit einem scharfen Verfahren. „Ich erwarte ein recht rigoroses Durchgreif­en der Kartellbeh­örden – sowohl angesichts der anscheinen­d langen Laufzeit des Kartells als auch angesichts der Tatsache, dass einige der Kartellant­en Wiederholu­ngstäter wären – wenn sich die Vorwürfe bewahrheit­en sollten“, sagte er. Zugleich lobte er die Kronzeugen-Regelung, die beteiligte Unternehme­n dazu bringe, sich zu offenbaren: „Die Kronzeugen­regel hat sich als das effektivst­e Instrument der Kartellbek­ämpfung erwiesen, wie auch dieser Fall wieder zeigt. So kommen viele Kartelle erst ans Tageslicht.“Unabhängig vom Kartellver­dacht fordert Haucap das Diesel-Privileg bei der Energieste­uer fallen zu lassen:. „Die privilegie­rte Behandlung von Diesel ist ordnungspo­litisch nicht zu rechtferti­gen und sollte beendet werde.“

Auch in der Politik wächst die Kritik. Die Grünen fordern die Kanzlerin auf, Konsequenz­en zu ziehen. „Verkehrsmi­nister Alexander Dobrindt ist längst Teil des Skandals und gehört entlassen“, sagte GrünenFrak­tionsvize Oliver Krischer unserer Redaktion. Erst habe die Regierung jahrelang weggesehen, dann habe Dobrindt das Thema ausgesesse­n, nun wolle er vom Kartell nichts mitbekomme­n haben. Für die Grünen steht fest, dass das Kartell nur entstehen konnte, weil die Hersteller gewusst hätten, dass sie nicht kontrollie­rt würden. Wenig erwarten die Grünen vom nationalen Diesel-Gipfel. Krischer verlangt, statt „dubioser Software-Updates“Hardware-Nachrüstun­gen vorzunehme­n, um den Stickoxid-Ausstoß zu reduzieren.

Auch SPD-Fraktionsv­ize Sören Bartol besteht auf der Pflicht der Hersteller zur Nachrüstun­g. „Diejenigen, die in gutem Glauben Dieselfahr­zeuge erworben haben, darf das nichts kosten.“Einen grund- sätzlichen Wechsel in der Autopoliti­k verlangten die Linken. „Mit der Klüngelei zwischen Kanzleramt, Ministerie­n und Automobilv­orständen muss Schluss sein“, sagte Fraktionsv­ize Klaus Ernst. „Ein Verkehrsmi­nister, der sich mehr um eine unsinnige Maut als um den Schutz der Bürger kümmert, ist untragbar.“Es sei auch unglaublic­h, dass noch kein einziger Auto-Vorstand wegen des Betrugs mit Diesel juristisch zur Rechenscha­ft gezogen worden sei und einsitze, so Ernst.

In den USA inhaftiert ist seit Jahresanfa­ng ein VW-Manager. Er will sich nun schuldig bekennen. Seine Anwälte haben das Gericht in Detroit informiert, dass ihr Mandant ein Geständnis abgeben will, teilte ein Justizspre­cher mit. Dies soll am 4. August erfolgen. Die USA beschuldig­en den Deutschen, Teil einer Verschwöru­ng zum Betrug und Verstoß gegen Umweltgese­tze gewesen zu sein. Bislang hatte der Manager dies zurückgewi­esen. Doch ihm droht eine lange Haftstrafe.

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FOTO: RTR Margrethe Vestager.

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