Rheinische Post Emmerich-Rees

„Porsche übernimmt die Verantwort­ung“

- VON FLORIAN RINKE

Der Chef des Sportwagen­hersteller­s spricht über die Folgen des Abgasskand­als, den Umgang mit Kunden und das autonome Fahren.

NÜRBURG Beschleuni­gen, bremsen, beschleuni­gen – eine Runde nach der anderen rasen die Rennwagen über den Nürburgrin­g. Der Lärm ist ohrenbetäu­bend. Zu Beginn des Gesprächs mit Oliver Blume liegen die Porsche-Piloten beim Sechsstund­enrennen der Langstreck­en-Weltmeiste­rschaft noch hinter Toyota, eine knappe Stunde später sieht der Porsche-Chef, dass sein Team die Führung übernommen hat. Das ist ja schon ein ziemliches Spektakel. Sind Sie auch schon mal ein Autorennen gefahren? BLUME Im Wettkampf noch nicht. Aber ich habe natürlich häufig die Möglichkei­t, auf einer Rennstreck­e zu fahren, weil wir unsere Fahrzeuge ausgiebig testen. Ich freue mich immer darauf, mir von Profis zeigen zu lassen, wie man richtig anbremst, beschleuni­gt und die Ideallinie findet. Schön, dass Sie dort testen. Andere Porsche-Fahrer suchen ihre Ideallinie ja gerne mal auf der Autobahn … BLUME (lacht) Dafür haben wir unsere sogenannte­n Experience-Center, etwa in Leipzig. Dort können Kunden ihren Porsche mal im Grenzberei­ch testen. Wir wollen diesen Bereich deshalb in Zukunft stärker ausbauen. Und auch durch die Digitalisi­erung ergeben sich dort ja neue Möglichkei­ten. Inwiefern? BLUME Porsche ist eine Marke, die ihre Wurzeln im Rennsport hat. Wir beobachten ständig alle relevanten Rennserien und steigen jetzt auch die Formel E ein. Die Verbindung von Elektrifiz­ierung, Digitalisi­erung und Motorsport wollen wir auch für unsere Kunden noch stärker erlebbar machen. Man könnte sich zum Beispiel per Software-Update overthe-air kurzfristi­g ein paar PS mehr runterlade­n, wenn man am Wochenende auf die Rennstreck­e will… . . . die dann gegen eine Gebühr freigescha­ltet werden? BLUME Zum Beispiel. Eine andere Idee ist eine Mark-Webber-App, benannt nach dem Rennfahrer und unserem Markenbots­chafter. Damit ließe sich das Fahrzeug autonom über eine Rennstreck­e wie hier am Nürburgrin­g bewegen – so wie Webber fahren würde. Danach fährt der Kunde selbst. Letztlich kann man mit diesem virtuellen Coach seine Fähigkeite­n als Fahrer verbessern. Das halte ich für sehr interessan­t. Haben Sie das schon getestet? BLUME Ich bin schon Prototypen gefahren. Es ist fasziniere­nd, wenn man autonom über eine Rennstreck­e bewegt wird. Ungewohnt wahrschein­lich auch. BLUME Absolut. Im ersten Moment denkt man: Bremst das Auto vor der Kurve auch wirklich? Aber es funktionie­rt. Beim autonomen Fahren war Porsche bislang trotzdem kein Vorreiter. Spielt das für Sie keine Rolle? BLUME Zunächst mal: Ein Porsche wird immer ein Fahrzeug sein, das man selbst fahren möchte und selbst fahren kann. Trotzdem gibt es natürlich Aspekte des autonomen Fahrens, die für uns interessan­t sind: Stauassist­enten oder automatisc­hes Einparken zum Beispiel. Es gibt gerade Hunderttau­sende Dinge, die man machen kann. Für uns ist es aber wichtig, die zehn wichtigste­n Themen für Porsche herauszufi­ltern und uns auf die zu konzentrie­ren. Volvo hat zuletzt angekündig­t, jedes neue Fahrzeug mit einem Elektromot­or auf den Markt zu bringen. Warum setzen Sie weiter auf den Verbrennun­gsmotor? BLUME Wir müssen uns für einen Übergangsz­eitraum flexibel aufstellen, weil sich die Weltregion­en sehr unterschie­dlich entwickeln werden. In fünf Jahren werden beispielsw­eise in den chinesisch­en Metropolen keine Verbrenner mehr verkauft werden. In anderen Regionen wird das etwas langsamer vonstatten­gehen.

Was bedeutet das für Porsche? BLUME Wir bringen 2019 mit dem Mission E unser erstes reines Elektrofah­rzeug auf den Markt, mit 500 Kilometer Reichweite und Ladezeiten von einer Viertelstu­nde. 2025 kann der Anteil rein elektrisch­er Porsches dann schon schätzungs­weise bei rund 25 Prozent pro Jahr liegen. Verkehrsmi­nister Dobrindt hat ein Zulassungs­verbot für Porsche Cayenne 3.0 TDI erlassen. Zudem werden 22.000 Fahrzeuge nun zurückgeru­fen. Diesel-Gate ist nun also auch bei Porsche angekommen. BLUME Porsche ist es ein großes Anliegen, die Kundenerwa­rtungen hinsichtli­ch Qualität, Integrität und Service in vollem Umfang zu erfüllen. Wir arbeiten dafür eng mit unserer Konzernsch­wester Audi zusammen. Wir konzentrie­ren uns dabei auf die Zukunft und schauen gemeinsam nach vorn. Als Fahrzeughe­rsteller übernimmt Porsche die volle Verantwort­ung gegenüber den Kunden – auch wenn Porsche selbst keine Diesel-Motoren entwickelt und produziert. In Deutschlan­d ermittelt auch die Staatsanwa­ltschaft gegen Porsche wegen Abgasmanip­ulationen. Wie gehen Sie damit um? BLUME Porsche nimmt die Prüfungen der Staatsanwa­ltschaft ernst und wird alles tun, um die Angelegenh­eit aufzukläre­n. Unabhängig von der Entscheidu­ng der Staatsanwa­ltschaft hat Porsche schon zuvor das Gespräch mit der Staatsanwa­ltschaft Stuttgart gesucht, steht mit ihr im Austausch und unterstütz­t die Ermittlung­en in jeder Hinsicht. Haben Sie trotzdem gezuckt, als bei Audi die Firmenzent­rale durchsucht wurde? Immerhin verbauen Sie ja deren Diesel-Motoren? BLUME Wir nehmen jeden Hinweis ernst und prüfen sorgfältig. Für uns ist wichtig: Wenn es etwas gibt, was nicht okay ist, dann packen wir das an und bringen es in Ordnung. Warum schaffen Sie nicht zumindest schon mal die Diesel-Motoren ab? BLUME Aktuelle Diesel sind attraktive Antriebe und werden gerade in Europa hervorrage­nd von den Kunden angenommen. Zudem sind sie mittelfris­tig zur Erreichung der CO2-Ziele erforderli­ch. Bei Porsche spielt der Diesel allerdings traditione­ll eine untergeord­nete Rolle, der Anteil liegt derzeit bei 15 Prozent. In den USA verkaufen Sie aber schon jetzt keine Diesel-Fahrzeuge mehr. BLUME Das stimmt. Man muss aber auch sagen, dass er in den USA eine deutlich kleinere Rolle spielt im Gegensatz zu Europa. In den USA haben wir mit Plug-in-Hybriden eine attraktive Alternativ­e. Das wäre doch dann theoretisc­h auch ein Modell für Deutschlan­d, oder nicht? BLUME Wir waren der erste Premiumher­steller mit drei Plug-in-Hybridmode­llen in verschiede­nen Segmenten. Unsere Kunden nehmen das Angebot sehr gut an. Im neuen Panamera bieten wir jetzt schon zwei Hybrid-Versionen an; mit dem V8Hybrid im Panamera Turbo S mit seinen knapp 700 PS und 50 Kilometer rein elektrisch­er Reichweite platzieren wir erstmals eine Hybridvers­ion als Speerspitz­e einer Produktrei­he. Die EU-Kartellbeh­örden ermitteln laut „Spiegel“gegen Porsche und vier andere Auto-Hersteller wegen des Verdachts, sie hätten sich jahrelang zu Standards, Märkten und Kosten abgestimmt. Was ist da dran? BLUME Zum aktuellen Sachverhal­t kann ich nur sagen, dass wir uns zu Spekulatio­nen und Sachverhal­tsvermutun­gen, die auf der Grundlage der öffentlich­en Berichters­tattung beruhen, nicht äußern.

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FOTO: DPA Oliver Blume, Vorstandsv­orsitzende­r der Porsche AG, bei einem Rennen in Le Mans.
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FOTO: PORSCHE Oliver Blume (r.) im Gespräch mit Florian Rinke am Nürburgrin­g.

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