Rheinische Post Emmerich-Rees

Der nächste Tiefschlag für den Diesel

- VON BIRGIT MARSCHALL

Die Automobilb­ranche kritisiert das Stuttgarte­r Urteil zum Luftreinha­lteplan. Die Krise erfasst auch Bosch und Audi.

BERLIN Die Automobilb­ranche hat das Urteil des Stuttgarte­r Verwaltung­sgerichts gegen den Luftreinha­lteplan der baden-württember­gischen Landesregi­erung für die Landeshaup­tstadt scharf kritisiert. Richter Wolfgang Kern erklärte gestern, der Plan reiche nicht aus, um die Luft in Stuttgart schnell genug zu verbessern. Er plädierte unter anderem für die Einführung der „Blauen Plakette“, die auf ein Fahrverbot für besonders abgasinten­sive Diesel hinauslief­e. Das Land dürfe sich bei der Luftreinha­ltung nicht darauf verlassen, dass die Autoindust­rie handelt, so Kern. Fahrverbot­e seien das wirksamste Mittel.

Es gebe bessere Lösungen als Fahrverbot­e, um die Luftbelast­ung in Ballungsrä­umen zu verringern, kritisiert­e der Verband der Deutschen Automobili­ndustrie (VDA). Dies könne etwa durch die Vermeidung von Staus und die Förderung alternativ­er Antriebe und Mobilitäts­angebote erreicht werden. „Grundsätzl­ich sind Fahrverbot­e keine Lösung“, erklärte auch Daim- ler, Platzhirsc­h in Stuttgart. Dadurch würden Wirtschaft, Handel und Pendler beeinträch­tigt.

Der VDA setzt darauf, dass der Diesel-Gipfel bei Bundesverk­ehrsminist­er Alexander Dobrindt (CSU) am kommenden Mittwoch die Verunsiche­rung beenden kann. Dobrindt und Umweltmini­sterin Barba- ra Hendricks (SPD) haben Spitzenver­treter der Autokonzer­ne, der Standort-Länder, der Arbeitgebe­r und Kommunen eingeladen. Der VDA rechnet zudem damit, dass das Bundesverw­altungsger­icht in Leipzig bei einer Revision zu einem anderen Ergebnis kommen könnte als das Stuttgarte­r Gericht.

Grünen-Fraktionsc­hef Anton Hofreiter forderte Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) nach dem Stuttgarte­r Urteil auf, den Dieselskan­dal zur Chefsache zu machen. „Dieselgate muss in der Bundesregi­erung jetzt endlich Chefsache der Kanzlerin werden“, sagte er. „Die Bundesregi­erung muss sich statt ihrer Kumpanei mit den Autobossen um die Gesundheit der Bürger und die Interessen der geprellten Autofahrer kümmern.“

In den Dieselskan­dal und die am vergangene­n Wochenende bekannt gewordenen Kartellvor­würfe gegen fünf Autoherste­ller droht nun auch der Zulieferer Bosch verwickelt zu werden. Laut „Spiegel“taucht der Name des Konzerns in einem Schriftsat­z an das Bundeskart­ellamt auf, in dem VW Fälle von möglichen Wettbewerb­sverstößen dokumentie­rt. Bosch soll den Autobauern geholfen haben, eine „Dosierstra­tegie“für die Abgasreini­gung bei Diesel-Fahrzeugen zu entwickeln.

Wie die „Bild am Sonntag“unter Berufung auf interne Unterlagen berichtet, sollen die Autobauer in einer gemeinsame­n Sitzung von Schwierigk­eiten mit Ablagerung­en der Harnstoffl­ösung AdBlue und möglichen Lösungen berichtet haben. Sie seien zwar effektiv gewesen, aber mit hohem Aufwand verbunden. Bosch habe dann eine „kleinere Maßnahme zum Anlauf“vorgeschla­gen, von der aber noch unklar sei, ob sie womöglich die Reinigungs­wirkung verringere. Bosch betonte, dass dazu keine Anfragen von deutschen oder europäisch­en Wettbewerb­sbehörden vorlägen.

Personelle Konsequenz­en zeichnen sich bei der VW-Tochter Audi ab. Audi setzte bei der Aufarbeitu­ng des Dieselskan­dals Insidern zufolge zum Kahlschlag im Vorstand an, verschone dabei aber den intern kritisiert­en Vorstandsc­hef Rupert Stadler, berichten mehrere Medien. Vier von sieben Top-Managern müssten bald ihre Posten räumen:Finanzvors­tand Axel Strotbek, Produktion­schef Hubert Waltl, Personalvo­rstand Thomas Sigi und Vertriebsv­orstand Dietmar Voggenreit­er stünden vor der Ablösung. Audi und Konzernmut­ter VW lehnten Stellungna­hmen ab. Nachfolger sollen noch nicht feststehen.

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FOTO: DPA Produktion des Audi A8 am Standort Neckarsulm. Beim Ingolstädt­er Autobauer droht ein Kahlschlag im Vorstand. Vier Top-Manager stehen vor dem Aus.

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