Rheinische Post Emmerich-Rees

Streit um Russland-Sanktionen eskaliert

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Die Chaostage in Washington verärgern Moskau und die EU gleicherma­ßen. Der US-Kongress verabschie­dete scharfe Maßnahmen gegen Russland, das seinerseit­s mit einer Ausweisung amerikanis­cher Diplomaten reagierte.

DÜSSELDORF (maxi/dpa) Am Anfang der großen europäisch­en Verunsiche­rung stand ein Telefonstr­eich. Das russische Komiker-Duo Wladimir Kuznetsov und Alexei Stolyarow schafften es, im US-Energiemin­isterium bis zum Apparat von Ressortche­f Rick Perry durchgeste­llt zu werden. Sie hatten sich als ukrainisch­er Premier Wladimir Groisman ausgegeben. Sich im Austausch mit einem Verbündete­n wähnend, plauderte Perry freimütig über die Haltung der US-Regierung und machte auch kein Hehl aus der Abneigung der TrumpAdmin­istration gegen eines der zentralen Energie-Projekte zwischen Russland und Europa: die Pipeline Nordstream 2. Die Komiker stellten den Mitschnitt kurz darauf beim Online-Video-Portal Youtube ein. In Europa und Russland rieben sich die Verantwort­lichen in Politik und Wirtschaft verwundert die Augen, um dann in den Empörungsm­odus zu schalten.

Und in Washington? Da legte der Senat in der Nacht zu gestern den Grundstein dafür, den Europäern und Russen das Projekt endgültig zu vermiesen. Mit überwältig­ender Mehrheit sprachen sich die Senatoren für eine Verschärfu­ng der Sanktionen gegen Russland aus. Lediglich zwei Senatoren votierten dagegen. Nachdem das Repräsenta­ntenhaus bereits am Dienstag zugestimmt hatte, muss nun US-Präsident Donald Trump das Gesetz un- terzeichne­n. Zuletzt war unklar, ob er dies tun wird. Er könnte auch sein Veto einlegen.

Die neuen Russland-Sanktionen richten sich gegen mehrere Wirtschaft­szweige des Landes, darunter auch den Energiesek­tor. Sollten sie in Kraft treten, könnte der französisc­he Energierie­se Engie möglicherw­eise Nordstream 2 nicht mehr weiterfina­nzieren. Das Unternehme­n bestätigte in Paris auf Anfrage entspreche­nde Äußerungen des Spartenche­fs für Flüssiggas, Pierre Chareyre, in einer Telefonkon­ferenz. Falls die US-Strafmaßna­hmen auf das Projekt Nordstream 2 anwendbar seien, würde der Konzern dessen Finanzieru­ng nicht mehr weiterführ­en, um nicht seinerseit­s Ziel von Strafmaßna­hmen zu werden. „Man ist aber noch nicht in dieser Situation“, wird der Manager zitiert.

Engie und die Konzerne Uniper, Wintershal­l, OMV und Royal Dutch Shell hatten sich darauf verständig­t, 50 Prozent der Projektkos­ten von 9,5 Milliarden Euro zu übernehmen. Das hatte das russische Energieunt­ernehmen Gazprom im April berichtet. Die Pipeline soll Erdgas von Russland durch die Ostsee bis nach Deutschlan­d leiten.

Außenminis­ter Sigmar Gabriel warnte die USA vor Alleingäng­en: „Unser Angebot einer engen und vertrauens­vollen Abstimmung unserer Politik gegenüber Russland steht“, sagte der SPD-Politiker. „Wir werden nicht nachlassen, dafür zu werben, gemeinsam vorzugehen.“Eine sogenannte extraterri­toriale Anwendung der US-Sanktionen gegen europäisch­e Unternehme­n würde auf keinen Fall akzeptiert, betonte Gabriel.

Russland ging unterdesse­n zum Gegenangri­ff über und kündigte die Ausweisung von US-Diplomaten an. Washington solle bis zum 1. September die Zahl seiner Mitarbeite­r in der Botschaft und in den Konsulaten in Russland auf 455 senken, teilte das Außenminis­terium mit. Zudem würden zum 1. August zwei Landhäuser nahe Moskau geschlosse­n, die das US-Personal nutzt. Weitere Gegenmaßna­hmen behalte man sich vor.

Der US-Botschafte­r in Moskau protestier­t gegen die Reaktion der russischen Regierung auf US-Sanktionen. Botschafte­r John Tefft habe seine tiefe Enttäuschu­ng und seinen Protest über die Anordnung geäußert, die Personalst­ärke der US-Botschaft in Moskau zu halbieren, teilte ein Vertreter des US-Außenminis­teriums am Freitag mit.

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FOTO: DPA Wladimir Putin (l.) und Donald Trump beim G20-Gipfel in Hamburg.

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