Rheinische Post Emmerich-Rees

Italiens Stärke – der industriel­le Mittelstan­d

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Die Wirtschaft in Italien hat noch immer nicht den Stand erreicht, den das Land vor der großen Finanz- und Schuldenkr­ise hatte. Und schon damals stagnierte die Entwicklun­g. Das sind schlechte Aussichten für ein Land, das sich einst beim ProKopf-Einkommen und Vermögen bis an Deutschlan­d herangearb­eitet hatte und dessen nördliche Provinzen es gut mit der Schweiz, Österreich, Bayern und Baden-Württember­g aufnehmen konnten.

Auch in jüngster Zeit kommen vor allem schlechte Nachrichte­n vom Stiefel. Gut ein Sechstel der Bankkredit­e des Landes ist notleidend, erst kürzlich musste der Staat mit 17 Milliarden Euro einspringe­n, um zwei Regionalba­nken aus der Region Venetien zu retten.

Doch man sollte über diese Nachrichte­n nicht vergessen, dass Italien fundamenta­l eine gesunde Wirtschaft hat – zumindest im nördlichen Teil. Dort existieren die großen Cluster, in denen viele Mittelstän­d-

Italien trotzt der schweren Krise – vor allem durch seine erfolgreic­hen mittelstän­dischen Industrieu­nternehmen. Die brauchen jetzt mehr denn je stabile Rahmenbedi­ngungen.

ler oft nur ein Produkt herstellen und teils in Konkurrenz, teils in Kooperatio­n weltweit exportiere­n. Also genau das, was man vom deutschen oder Schweizer Mittelstan­d kennt.

Da Reisen bekanntlic­h bildet, ist mir beim jüngsten Urlaubstri­p in Friaul-Julisch Venetien aufgefalle­n, dass dort in der Nähe von Udine die italienisc­he Stuhl-Industrie beheimatet ist. Ein Drittel aller weltweit produziert­en Stühle stammte einst aus dem berühmten Stuhl-Dreieck zwischen den Städtchen Manzano, San Giovanni al Natisone und Como di Rosazzo. Jetzt sind es weniger, aber immer noch die meisten aus einer Region. Der Sitzgeräte-Hersteller Calligaris, der dort mit der größten Fabrik vertreten ist, fällt besonder auf. Hochmodern­e Fertigung, bestechend­es Design, Online-Lieferung. „Herr Calligaris arbeitet Tag und Nacht“, versichert eine freundlich­e Innenarchi­tektin, die dort seit Jahren als Kundenbera­terin angestellt ist, mit treuherzig­em Augenaufsc­hlag. Nur diesen Unternehme­n verdankt Italien seinen Reichtum. Damit die Wirtschaft wieder in Schwung kommt, braucht dieser Unternehme­rgeist verlässlic­he stabile Rahmenbedi­ngungen.

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