Rheinische Post Emmerich-Rees

Zurück in die Zukunft

- VON MARCO KREFTING

Die Arte-Doku „Der Mensch von morgen“stellt die Frage, ob die biologisch­e Evolution des Menschen zu Ende ist.

STRASSBURG (dpa) Was haben der Laichaussc­hlag eines Fischmännc­hens und die Strumpfhos­en eines Models auf einem Werbeplaka­t gemein? Tom Theunissen sieht einen Zusammenha­ng: Beides wirkt auf jeweilige Artgenosse­n attraktiv. Beides kann somit ein entscheide­nder Faktor für die Evolution sein. Nach vielen Hunderttau­senden von Jahren biologisch­er Entwicklun­g des Menschen geht der Grimme-Preisträge­r für den deutsch-französisc­hen Sender Arte der Frage nach, ob diese nun zu Ende ist. Das Ergebnis nennt er: „Der Mensch von morgen – Ein evolutionä­rer Reiseberic­ht“. Gezeigt wird er heute.

Theunissen wirft dabei einen – wie er sagt – „zoologisch­en Blick auf seine Weggenosse­n“. Er befragt Wissenscha­ftler sowie einen Unternehme­r, der Autisten beschäftig­t. Er diskutiert von der Rückbank aus mit einem Taxifahrer über Selektions­mechanisme­n. Und er wird persönlich: Als es um die Wehwehchen und ernsthafte­ren Leiden der Menschen geht, die eigentlich Evolutions­hinderniss­e darstellen, erläutert der Autor seine Rot-Grün-Blindheit. „Wir sind und bleiben Mängelwese­n“, sagt Theunissen.

Doch ist der Mensch nicht intelligen­t genug, um die Evolution auszutrick­sen? Mit den Mitteln der Gentechnol­ogie hat er die nötigen Gestaltung­smöglichke­iten an der Hand. Und Jean-Jacques Hublin vom Max-Planck-Institut für evolutionä­re Anthropolo­gie in Leipzig sagt: „Ich glaube, man kann sich nur schwer vorstellen, dass die Menschen, wenn ein Verfahren existiert, darauf aus Gründen verzichten werden, die rein ethischer Natur sind.“Vielmehr müssten die ethischen Regeln und Verfahren gleicherma­ßen angepasst werden.

Schon Brillen helfen den Menschen, Probleme zu beheben. Oder künstliche Gelenke. Eine Entwick- lung, die mehr und mehr Cyborgs entstehen lässt – menschlich­e Wesen mit technische­n Ersatzteil­en und Hilfsmitte­ln. Stichwort: künstliche Intelligen­z. Ein Weg, ewiges Leben zu schaffen und Aussterben zu verhindern? Die Evolutions­medizineri­n Luzie Verbeek macht deutlich, dass Sterben ein wichtiger Teil der Evolution ist – schon aus Ressourcen­gründen. „Es ist nicht erstrebens­wert, Sterblichk­eit abzuschaff­en.“

Das könnte manchen Zuschauer beruhigen. Wie auch ihre Ausführung­en, dass es bei Evolution nicht um Perfektion­ismus gehe, sondern oft um Kompromiss­e. Insgesamt ist der Film weder düstere Dystopie noch eine beschönige­nde Utopie der Möglichkei­ten. Sachlich geht Theunissen mit seinen Gesprächsp­artnern vielen Facetten des Themas nach.

Zugleich gestaltet er die kurzweilig­e Dokumentat­ion Arte-typisch recht ansehnlich mit interessan­ten Kamerapers­pektiven etwa aus dem Neandertha­l Museum, Unschärfen, Zooms und rückwärts abgespielt­en Sequenzen. Das Ganze ist mit ansprechen­der Musik unterlegt; immer wieder werden die Interviewp­arts auch mit zum Thema passenden Liedern von Tom Liwa unterbroch­en. Inklusive Projektion­en an der Wand.

Auch wenn Theunissen am Ende selbst ein bisschen enttäuscht über die gesammelte­n Erkenntnis­se klingt, gibt er die Richtung für seinen Reiseberic­ht eigentlich schon relativ früh vor: Seit 10.000 Jahren kann der Mensch Milch verdauen. Seitdem, so hält der Autor fest, hat der Körper keine revolution­äre Veränderun­g mehr erlebt. „Der Mensch von morgen – Ein evolutionä­rer Reiseberic­ht“, Arte, Sa., 22 Uhr

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FOTO: DPA Die Nachbildun­g eines älteren Neandertal­ers im Neandertha­l-Museum in Mettmann. Das Museum ist auch ein Schauplatz in der Dokumentat­ion.

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