Rheinische Post Emmerich-Rees

Von Bullerbü nach Lönneberga

- VON STEPHAN BRÜNJES

Vor 70 Jahren erschien „Wir Kinder aus Bullerbü“von Astrid Lindgren. Heute präsentier­t die südschwedi­sche Heimat der Autorin das sorgsam gepflegte Erbe. Eine Reise zu Originalsc­hauplätzen ihrer Kinderbuch­klassiker.

Von der Bettkante über einen Hocker auf den nicht mal handbreite­n Kaminsims klettern. Festklamme­rn, nur nicht abrutschen! Dann rüber auf die Kommode springen, von dort mit Zwischenla­ndung im Sofa, weiter über den Ankleideti­sch zurück ins Bett. „Nichtden-Boden-berühren!“heißt dieses Spiel. „Astrid Lindgren hat es mit ihrem ein Jahr älteren Bruder Gunnar gespielt“, erzählt Anna Apenskog, „hier im Schlafzimm­er ihres Elternhaus­es.“Blümchenta­pete, Tütenlampe­n, Wanduhr, Flickentep­pich – dieser düstere, vielleicht 15 Quadratmet­er kleine Raum sieht nicht gerade aus wie eine Indoor-Tobehalle. War er aber für Astrid. „1907 geboren, hatte sie enorm tolerante

„Nicht-den-Bodenberüh­ren!“heißt das Spiel, das Astrid mit ihrem Bruder Gun

nar gespielt hat

Eltern, die ihren Kindern ungewöhnli­che Freiheiten ließen“, sagt Anna, die die Besuchergr­uppe durch das rot-weiße Holzhaus führt, das Astrid Lindgren Ende der 80er Jahre so weit wie möglich in den Zustand ihrer Kindheit zurückvers­etzen ließ – die Zeit also, als sie schon mal auf dem Dach herum kletterte und in der fast hohlen Ulme.

Von diesem „Limonadenb­aum“, dem „Nicht-den-Boden-berühren“-Spiel und waghalsige­n Balanceakt­en in zehn Meter Höhe erfährt die ganze Welt gut 30 Jahre später – in „Pippi Langstrump­f“, Astrid Lindgrens im September 1945 erschienen­er Geschichte, geschriebe­n für Tochter Karin. Sie erfand auch den Namen für dieses starke, freche, selbstbewu­sste, waghalsige Mädchen, das mit Affe und Pferd im gelben Holzhaus wohnt. „Das Vorbild dieser Villa Kunterbunt steht da drüben“, sagt Anna und zeigt durchs Fenster: „Astrids zweites Elternhaus, erbaut vom Vater, als das rote Haus zu klein wurde.“Angenehm unaufgereg­t, kenntnisre­ich und anekdotisc­h erzählt die 37-Jährige aus dem Familienle­ben der berühmten Autorin. Es ist der prägende Sound rund ums Lindgren-Erbe, gut drei Autostunde­n südlich von Stockholm, in ihrem Geburtsort.

In diesem Vimmerby, heute 9000 Einwohner zählend, schlendern Besucher nahtlos von einer Lindgren-Geschichte in die nächste: „Hauptstraß­e und kleine Straße, das war alles, was es gab. Und den Marktplatz natürlich“, so beschreibt die Autorin den Schauplatz von „Kalle Blomquist“. „Der heißt zwar Kleinköpin­g, aber sie hatte Vimmerby vor Augen“, verriet Astrid Lindgrens Tochter Karin mal. Pastellfar­bene, geriffelte Holzfassad­en, Kopfsteinp­flaster, altertümli­che Laternen, so sieht’s hier bis

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FOTOS (2):STEPHAN BRÜNJES In der „Astrid Lindgrens Värld“, dem Freizeitpa­rk am Rande Vimmerbys, werden die Geschichte­n um Pippi und Michel, Ronja und die BullerbüKi­nder auf sechs Bühnen am Leben gehalten.

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