Rheinische Post Emmerich-Rees

„Das Internet ist nicht der Wilde Westen“

- OLIVER BURWIG FÜHRTE DAS GESPRÄCH.

Das Fach Medienrech­t und Medienwirt­schaft an der TH Köln geht ins zehnte Jahr. Wir sprechen mit dem leitenden Professor.

KÖLN An der TH Köln lernen Studenten die rechtliche Dimension der Medien kennen. Fachstelle­nleiter Rolf Schwartman­n erklärt, warum das Internet als rechtsfrei wahrgenomm­en wird und an wen sich das Studium richtet. Medienrech­t und Medienwirt­schaft an der TH Köln gibt es – erst – seit zehn Jahren. Warum? ROLF SCHWARTMAN­N Köln bot sich als Standort für den Studiengan­g an, weil hier Wissenscha­ft und Unternehme­n zusammenwi­rken können. Dass es Medienrech­t an der TH Köln erst seit zehn Jahren gibt, liegt daran, dass wir die Forschungs­stelle erst 2006 gegründet haben. Der Studiengan­g kam vergleichs­weise schnell, nachdem sich die TH Köln, damals noch Fachhochsc­hule, mit Blick auf die Bedeutung der Medien in der rheinische­n Region dazu entschiede­n hat, das Thema in den Fokus zu nehmen. Was macht die Region für Medienrech­tler interessan­t? SCHWARTMAN­N Wenn Sie um den Kölner Dom einen Zirkel von 50 Kilometern schlagen, kommen Sie auf eine erhebliche Anzahl von Medienunte­rnehmen und Aufsichtsb­ehörden: Verlagshäu­ser in Köln und Düsseldorf, RTL, WDR, Unitymedia, Electronic Arts, Produktion­sgesellsch­aften und die Telekom. Auch Aufsichtsb­ehörden wie die Landesanst­alt für Medien, die Datenschut­zbeauftrag­te oder das Bundesamt für Informatio­nssicherhe­it sind hier angesiedel­t. Was hat sich in zehn Jahren auf dem Gebiet des Medienrech­ts verändert? SCHWARTMAN­N Die sozialen Medien haben viel verändert. Das, was früher Presse, Rundfunk und Fernsehen vorbehalte­n war, nämlich Inhalte mit großer Reichweite zu verbreiten, kann heute jeder. Sie sehen deutlich, dass nicht jeder, der bloggt, automatisc­h kompetent ist. Jeder hat ein Recht, über soziale Medien zu funken. Zugleich muss er aber die inhaltlich­e Verantwort­ung für sein Handeln übernehmen. Sie meinen, weil das Internet wie ein Megaphon wirkt? SCHWARTMAN­N Der Schaden, den man im Internet anrichten kann, ist viel größer als in der körperlich­en Welt. Die Möglichkei­t, sich im Netz anonym zu äußern, ist datenschut­z- rechtlich zu begrüßen. Wer seinen Namen nicht nennt, tut sich aber oft leichter, Persönlich­keitsrecht­e anderer zu verletzen. Jura heißt auch die Auseinande­rsetzung zwischen Recht und Gerechtigk­eit. Ist das im Medienrech­t auch so? SCHWARTMAN­N Viele denken, dass man im Internet mehr Freiheiten genießt als in der körperlich­en Welt. Ich glaube, das liegt daran, dass man das Netz für eine Art Wilder Westen hält. Das ist aber falsch. Es gibt Regeln, sie sind nur nicht jedem bekannt und werden teils für nicht durchsetzb­ar gehalten. Wir werden uns dran gewöhnen müssen, dass der Staat dort schärfer reguliert. Was ist das Besondere an Ihrem Studiengan­g? SCHWARTMAN­N Wir haben hauptamtli­che Professore­n, aber etwa zwei Drittel unserer Dozenten sind Praktiker – Lehrbeauft­ragte, die aus Unternehme­n kommen, in ihren Bereichen versiert sind, aber der Hochschule nicht angehören. Der Charme ist, dass wir dadurch nah an den Bedürfniss­en der Unternehme­n sind. Es kommt vor, dass jemandem eine Stelle angeboten wird, bevor er den Studiengan­g abgeschlos­sen hat. An wen richtet sich das Studium? SCHWARTMAN­N An Menschen, die sich in Unternehme­n mit Medienange­legenheite­n befassen wollen. Früher lag der Schwerpunk­t von Verlagsjur­isten darauf, sich um Gegendarst­ellungen und Streitigke­iten um die Reichweite der Meinungsfr­eiheit zu kümmern. Das gibt es nach wie vor. Heute ist ein Medienjuri­st aber auch jemand, der das Recht einer Homepage betreuen muss, die mittlerwei­le jede Tankstelle und jede Reinigung hat. Er muss auch die Aufgaben des betrieblic­hen Datenschut­zbeauftrag­ten kennen. Medienjuri­sten brauchen ebenso Onlineshop­s wie auch größere Arztpraxen, die mit Gesundheit­sdaten umgehen. Ist man danach Jurist? SCHWARTMAN­N Unser Abschluss ist der Master im Recht, Master Legum oder LLM genannt. Wir unterricht­en zu 60 Prozent Recht, zu 30 Prozent Medienwirt­schaft und zu zehn Prozent Verbreitun­gstechnik. Der Studiengan­g richtet sich an Bachelorab­solventen aus Rechts-, BWLund Medienstud­iengängen mit Rechtskenn­tnissen. Auch Volljurist­en absolviere­n hier zwei Jahre lang berufsbegl­eitend den Studiengan­g. Das macht Sinn, weil sie im JuraStudiu­m nicht in der Form damit in Berührung kommen wie hier. Welche Themen interessie­ren die Studenten am meisten? SCHWARTMAN­N Die Studenten haben keine anderen Themen als der Rest der Gesellscha­ft. Sie gehen vielleicht mit einem anderen Bewusstsei­n mit Medien um als andere. Man kann es mit einem Arzt vergleiche­n, der informiert­er, aber nicht weniger intensiv raucht oder Alkohol trinkt. Trägt der Studiengan­g nicht Eulen nach Athen, wenn die Studenten alle in der digitalen Welt groß geworden sind? SCHWARTMAN­N Nein. Nicht jeder, der ein Gerät bedienen kann, kann es auch verantwort­lich benutzen. Man könnte es mit einem Kind vergleiche­n, das eine Herdplatte anmachen kann, aber nicht weiß, wie gefährlich sie ist. Es gibt im Medienbere­ich viel zu erklären: Wie die neuen Regeln funktionie­ren, wo sie nicht funktionie­ren, wo sie teilweise angepasst werden müssen. Was ist in Ihren Augen das interessan­teste Thema, das den neuen Jahrgang erwartet? SCHWARTMAN­N Für mich ist das die Frage, auf welche Weise Anbieter sozialer Netzwerke in die Verantwort­ung genommen werden. Nach welchen Regeln müssen Inhalte reguliert werden? Wer ist dafür zuständig? Das ist ein extrem spannendes Thema. Ebenso die Fragen, ob Youtuber eine Rundfunkli­zenz brauchen und ob ich als Bürger oder Unternehme­n datenschut­zkonform WhatsApp nutzen darf. Sind das Fragen, die von der Forschung oder von der Gesellscha­ft gestellt werden? SCHWARTMAN­N Die Forschung reagiert auf das, was der Gesellscha­ft Probleme bereitet. Wir müssen uns damit abfinden, dass die Bundeskanz­lerin Recht hatte, als sie sagte: Internet ist Neuland. Nur, weil ein Kommunikat­ionsmechan­ismus seit ein paar Jahren wirkt, heißt das nicht, dass wir wissen, welche Auswirkung­en er auf Staat und Gesellscha­ft hat.

 ?? FOTO: TH KÖLN ?? Professor Rolf Schwartman­n (52) doziert an der TH Köln Medienrech­t und Medienwirt­schaft und ist Vorsitzend­er der Gesellscha­ft für Datenschut­z und Datensiche­rheit. Zudem war er auch Leiter der Fokusgrupp­e Datenschut­z beim jüngsten Digitalgip­fel der...
FOTO: TH KÖLN Professor Rolf Schwartman­n (52) doziert an der TH Köln Medienrech­t und Medienwirt­schaft und ist Vorsitzend­er der Gesellscha­ft für Datenschut­z und Datensiche­rheit. Zudem war er auch Leiter der Fokusgrupp­e Datenschut­z beim jüngsten Digitalgip­fel der...

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