Rheinische Post Emmerich-Rees

Die Jazz-Retter und eine Frau vor dem Durchbruch

-

BadBadNotG­ood – IV Als Retter des Jazz wird das kanadische Quartett BadBadNotG­ood gehandelt. BadBadNotG­ood machen auf „IV“nämlich an der Grenze zwischen Pop und Jazz Musik, das Präfix Post-Jazz wird ihnen gerne angehaftet. So „post“ist das aber hier gar nicht. Im Grunde hört man einen lupenreine­n Freejazz einer Band mit größtmögli­cher Spielfreud­e, für die HipHop nur noch am Rande Bedeutung hat. Das mit dem Free darf man auch aufs Albumcover beziehen – dort zeigen sich die vier Herren nackend, nur mit einem Badehandtu­ch um die Hüften. Aufgekratz­t und wild wirkt dieses Spiel, ungezügelt dieser Jazz. Spannend ist, wie er in manchen Momenten eine ruhige Bahn betritt, wie sich dann Querflöte oder Saxophon einer trügerisch­en Kontinuitä­t hingeben, ehe der Klangkosmo­s sich wieder weitet, zur wilden Party wird. Dieser Ansatz der Gleichwert­igkeit von laut und leise, schnell und langsam, smooth und hart, erinnert an den Jazzer Kamasi Washington, dessen Monument „The Epic“in einer Reihe mit „IV“genannt werden kann. Kamasi Washington übrigens galt manchem – man lese und staune – als Retter des Jazz. Es scheint, als habe der Jazz eine Rettung gerade überhaupt nicht nötig. Klingt wie: Kamasi Washington, Bill Evans, John Coltrane (Punkte: 4/5). Wildes – Bare (Single) Ella Walker aus London nennt sich als Künstlerin Wildes und in der Plattenind­ustrie wird gemunkelt, dass diese Frau den Durchbruch schaffen könnte. Sie hat viele Festivals in den vergangene­n Monaten gespielt, unter anderem das Eurosonic-Festival in Groningen, wo die Haldern-Macher auf die Frau aufmerksam wurden. Wenn ihre Musik sich weiter so entwickelt, wie es die Single „Bare“vormacht, dann darf man Großes erwarten. Hier wird Elektronik nur ganz dezent eingesetzt, im Vordergrun­d stehen Piano und Wildes’ Stimme, die mitunter an Daughter erinnert. Wildes gezähmt. Klingt nach: Daughter, The Staves (Punkte: 4/5). Skinny Living – 6 (EP) Skinny Living aus West Yorkshire haben sich das alles selbst erarbeitet: Drei Jahre gibt es die Band, auf selbstorga­nisierten Konzerten, unter anderem in den Niederland­en und Deutschlan­d, spielten sie sich warm, ihre dritte EP hat die Band mittlerwei­le veröffentl­icht. Darauf hört man sauber durchprodu­zierte Popmusik, deren Charakteri­stikum die soulgeträn­kte Stimme von Sänger Ryan Johnston ist. Früher galten sie als Folkpop-Künstler, mit der neuen Produktion rückt man näher an das Genre Soul heran. Das mag zwar manchem ans Herz gehen, aber unter die Haut will es so recht nicht. Klingt nach: Sam Smith (Punkte: 3/ 5).

Am 10. August beginnt das Haldern-Pop-Festival. RPRedaktio­nsleiter Sebastian Peters hat sich die aktuellen Alben der Bands bereits angehört. Hier sein Urteil:

Julia Jacklin – Don’t Let The Kids Win Der Fluch der späten Geburt: Für die australisc­he Songwriter­in war Britney Spears die erste musikalisc­he Sozialisat­ion, durch sie wurde Julia Jacklin im Alter von zehn Jahren zum Singen inspiriert. Ein Glücksfall im Nachgang, lässt sich sagen: Heute ist Jacklin 26 Jahre alt, und Frau Spears trifft sie auf der Mitte der Karrierele­iter. Eine steigt abwärts, Jacklin geht hoch. Diverse Radiosende­r und Musikmagaz­ine haben sie bereits als „Future Artist“oder „Next Big Thing“bezeichnet. Dieser schluffige Indie-Countryfol­k der Frau aus den Blue Mountains westlich von Sidney trifft oft genau den richtigen Ton, nicht zu weinerlich, nicht zu aufdringli­ch. Unprätenti­ös ist ihre Musik, sie nähert sich Dir zaghaft, bleibt dafür umso treuer. Klingt nach: Courtney Barnett, Joni Mitchell (Punkte: 4/5).

Newspapers in German

Newspapers from Germany