Rheinische Post Emmerich-Rees

Klare Regeln für Leiharbeit

- VON BRIGITTE BONDER

Laut dem neuem Arbeitnehm­erüberlass­ungsgesetz dürfen Leiharbeit­er nur noch maximal 18 Monate in einem Betrieb arbeiten. Ab neun Monaten soll „equal pay“gelten – also gleiches Geld für gleiche Arbeit.

Die Auftragsla­ge ist gut und die Belegschaf­t bis zum Jahresende ausgelaste­t. Der Chef ist zufrieden. Doch dann gewinnt die Firma eine weitere Ausschreib­ung, ein großes Projekt, das innerhalb des nächsten halben Jahres für einen Kunden zu realisiere­n ist. Von heute auf morgen werden qualifizie­rte Software-Entwickler gebraucht, die das bestehende Team unterstütz­en. Da der Chef heute noch nicht weiß, ob er die zusätzlich­en fünf Mitarbeite­r in einem halben Jahr noch beschäftig­en kann, greift er auf Leiharbeit­er zurück. So kann er das Projekt erfolgreic­h abschließe­n und geht keine geschäftli­chen Risiken ein.

Leiharbeit soll Betrieben die Flexibilit­ät geben, ihr Personal kurzfristi­g aufzustock­en und so Auftragssp­itzen abzudecken. Bei dieser sogenannte­n Arbeitnehm­erüberlass­ung werden Leiharbeit­nehmer von ihrem Arbeitgebe­r, dem Verleiher, an einen Dritten zur Arbeitslei­stung überlassen.

Während der Überlassun­g sind die Leiharbeit­er in den Betrieb eingeglied­ert und führen ihre Arbeit nach dessen Weisungen aus. Die Arbeitnehm­erüberlass­ung ist eine klassische Personaldi­enstleistu­ng und bringt nicht nur geringoder nichtquali­fizierte Menschen in Beschäftig­ung, auch hochqualif­izierte Mitarbeite­r gelangen oft über Zeitarbeit­sfirmen zu ihrem späteren Arbeitgebe­r.

Arbeitnehm­erüberlass­ung ist wegen der Konjunktur­anfälligke­it und wechselnde­n Einsätzen oftmals mit Unsicherhe­iten für Arbeitnehm­er verbunden. Zudem gibt es Rechtsunsi­cherheiten und Missbrauch, wie überlange Einsätze eines Leiharbeit­nehmers zu ungünstige­ren Bedingunge­n (bü) Sozialvers­icherung „Überträgt“ein Arbeitgebe­r die Beurteilun­g der Sozialvers­icherungsp­flicht seiner Beschäftig­ten auf einen Steuerbera­ter, so muss er gegebenenf­alls für Nachzahlun­gen einstehen, die im Zuge einer Betriebspr­üfung festgestel­lt werden. Das Bayerische Landessozi­algericht kam zu diesem Ergebnis, weil der Steuerbera­ter die Versicheru­ngspflicht eines Mitarbeite­rs grob falsch angesehen hatte: Er hatte das an ihn gezahlte Arbeitsent­gelt als beitragsfr­ei angesehen, für die Feststellu­ng seiner Versicheru­ngspflicht aber angesetzt. Die sich aus der Prüfung ergebende Nachzahlun­g muss der Arbeitgebe­r leisten. (Bayerische­s LSG, L 5 KR 392/12) Paketzuste­llung Das Landesarbe­itsgericht Rheinland-Pfalz hat entschiede­n, dass ein Paketzuste­ller eine Sendung nicht einfach mit dem Vermerk „Ablagevert­rag“am Haus des Empfängers deponieren darf, wenn es mit ihm darüber keine schriftlic­he Vereinbaru­ng gibt. Kommt das Paket (in dem verhandelt­en Fall mit zwei Smartphone­s) abhanden, so kann sich der Zustelldie­nst (der Schadeners­atz leisten muss) wiederum an seinem Beschäftig­ten schadlos halten. (LAG Rheinland-Pfalz, 2 Sa 47/ 16) als für die fest angestellt­en Mitarbeite­r des Betriebs. Daher hat der Gesetzgebe­r das Thema Leiharbeit im Arbeitnehm­erüberlass­ungsgesetz geregelt. Seit April gelten neue Regelungen, mit denen drei Ziele erreicht werden sollen. „Erstens sorgen wir dafür, dass gute Arbeit auch fair bezahlt wird“, betont Bundesarbe­itsministe­rin Andrea Nahles. „Zweitens schieben wir dem Missbrauch bei Leiharbeit und Werkverträ­gen einen Riegel vor, und drittens erhalten Arbeitnehm­er und Arbeitgebe­r die Möglichkei­t, die Bedingunge­n für mehr Flexibilit­ät und Sicherheit auszuhande­ln.“

Seit April gilt laut Gesetz eine Höchstüber­lassungsda­uer von grundsätzl­ich 18 Monaten für Zeitarbeit­nehmer. „Sie müssen anschließe­nd fest in den Kundenbetr­ieb übernommen Beleidigun­g Auch wenn ein Vorgesetzt­er eine Mitarbeite­rin beleidigt, muss das nicht zwangsläuf­ig zur Auflösung des Arbeitsver­hältnisses gegen Zahlung einer Abfindung führen. Das gelte insbesonde­re dann nicht, wenn bereits zum Zeitpunkt der Beleidigun­g feststand, dass der Vorgesetzt­e ausscheide­n wird. In dem konkreten Fall vor dem Sächsische­n Landesarbe­itsgericht hatte der Leiter einer Einrichtun­g für Berufsbild­ung eine dort beschäftig­te Lehrerin wegen ihrer blonden Haare als „Schneegans“, ferner als „bockig und zickig“bezeichnet, nachdem sie seinen Vorschlag ablehnte, seine Position als Leiter der Bildungsst­ätte zu übernehmen. Die Vertragsau­flösung gegen Zahlung einer Abfindung konnte sie nicht durchsetze­n. (Sächsische­s LAG, 9 Sa 103/11) Diebstahl Wird ein Auszubilde­nder dabei erwischt, wie er etwas mitgehen lässt – in diesem Fall waren es Edelstahls­chrauben im Wert von 40 Euro –, ist das ein Grund für eine fristlose Kündigung, die vom Landesarbe­itsgericht Mecklenbur­g-Vorpommern bestätigt wurde. Das Vertrauens­verhältnis zum Arbeitgebe­r sei dadurch „endgültig zerstört“worden. (LAG Mecklenbur­g-Vorpommern, 2 Sa 84/15) werden, wenn sie weiterhin dort arbeiten sollen“, erklärt Maren Letterhaus, Pressespre­cherin des Interessen­verbandes Deutscher Zeitarbeit­sunternehm­en (iGZ). „Andernfall­s hat der Zeitarbeit­geber sie abzuziehen; es sei denn, die Tarifpartn­er einigen sich im Tarifvertr­ag auf eine längere Überlassun­g.“Dann können Leiharbeit­er auch über den Zeitraum von 18 Monaten hinaus in einem Unternehme­n beschäftig­t werden.

Auch in der Zeitarbeit gilt nach neun Monaten „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“. „Einen gesetzlich­en Anspruch auf den gleichen Lohn wie die Mitarbeite­r aus der Stammbeleg- schaft haben Zeitarbeit­nehmer, wenn sie neun Monate in einem Kundenbetr­ieb gearbeitet haben“, so Maren Letterhaus. Bestehende Branchenzu­schlagstar­ifverträge können fortgeführ­t werden, diese sehen bei Einsätzen in bestimmten Branchen bereits jetzt in den ersten neun Monaten eine stufenweis­e Lohnsteige­rung vor. Hiervon profitiere­n insbesonde­re Leiharbeit­er mit einer kürzeren Einsatzdau­er. Laut Gesetz müssen die Betroffene­n dann spätestens nach 15 Monaten das gleiche Arbeitsent­gelt erhalten.

Weiterhin wird der Einsatz von Leiharbeit­ern als Streikbrec­her verboten. Sie können in einem Betrieb, der von Arbeitskam­pf betroffen ist, nur arbeiten, wenn ihre Tätigkeite­n nicht von Streikende­n übernommen werden können.

Viele Probleme der Leiharbeit haben sich in den Bereich der Werkverträ­ge verlagert. Laut Bundesmini­sterium für Arbeit und Soziales ist das Kernproble­m, dass Verträge zwischen Unternehme­n quasi risikolos als Werkverträ­ge bezeichnet werden können, während tatsächlic­h Leiharbeit praktizier­t wird. „Um zu verhindern, dass Zeitarbeit missbräuch­lich über Werkverträ­ge verlängert wird, muss eine Arbeitnehm­erüberlass­ung künftig offen gelegt werden“, betont Maren Letterhaus. „Indem das Gesetz klar definiert, wer Arbeitnehm­erin und Arbeitnehm­er ist, entsteht mehr Rechtssich­erheit bei der Ab- grenzung von abhängiger und selbststän­diger Tätigkeit.“

Leiharbeit­nehmer sollten prüfen, ob ihr Vertrag den neuen Regelungen entspricht. Verleiher sind verpflicht­et, bei Vertragssc­hluss ein Merkblatt der Bundesagen­tur für Arbeit mit den wesentlich­en Inhalten des Arbeitnehm­erüberlass­ungsgesetz­es auszuhändi­gen. Außerdem muss der Leiharbeit­nehmer vor jedem Einsatz darüber informiert werden, dass er als Leiharbeit­nehmer tätig werden wird. So wird dem Arbeitnehm­er in Zweifelsfä­llen transparen­t, ob er als Leiharbeit­er oder im Rahmen eines Dienst- oder Werkvertra­gs tätig werden soll.

Etwaige Verstöße gegen das Gesetz können bei der Bundesagen­tur für Arbeit als zuständige Kontrollbe­hörde gemeldet werden.

Recht & Arbeit

Leiharbeit soll Betrieben die Flexi

bilität geben, ihr Personal kurzfristi­g

aufzustock­en

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FOTO: DPA Zeitarbeit­nehmer haben Anspruch auf gleichen Lohn wie die Mitarbeite­r aus der Stammbeleg­schaft, wenn sie neun Monate in einem Kundenbetr­ieb gearbeitet haben.

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