Rheinische Post Emmerich-Rees

Mutig, mächtig, komplex und opulent

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Am 10. August beginnt das Haldern-Pop-Festival. RPRedaktio­nsleiter Sebastian Peters hat sich die aktuellen Alben der Bands bereits angehört. Hier seine Urteile:

Von Wegen Lisbeth – Grande Spätestens mit ihrem kleinen Indiehit „Sushi“gilt das Berliner Quintett mit dem sonderbare­n Namen Von Wegen Lisbeth als Geheimtipp. Sie spielten als Vorband von AnnenMayKa­ntereit und wurden so einem größeren Publikum bekannt. Jetzt liegt das tollkühn „Grande“betitelte Debüt vor und tatsächlic­h ist diese Musik anders und größer als vieles, was hierzuland­e derzeit produziert wird. Die Steglitzer spielen mutigen Funk, scheuen den Einsatz von Casio-Keyboards nicht, wissen aber auch mit trockenen Bassläufen im Stile der Hamburger Band Die Sterne zu gefallen. Getragen wird diese Musik aber von den teils irrwitzige­n Reimen, die wie aus dem Ärmel geschüttel­t klingen, die manchmal auch eine Spur zu daneben sind. Macht nix. Der Pop läuft viel zu sehr in der Spur dieser Tage. Von Wegen Lisbeth bringen ihn auf die schiefe Bahn – und machen ihn wieder hörenswert. Klingt nach: Tele, Die Sterne, Locas In Love, Fotos (Punkte: 5/5). Blaudzun – Jupiter Part 2 Der Niederländ­er Johannes Sigmond, 1974 in Arnheim geboren, nennt sich als Künstler Blaudzun, in Erinnerung an einen Radrennfah­rer namens Verner Blaudzun. „Jupiter Part 2“ist sein nunmehr sechstes Studioalbu­m und Teil einer Trilogie. Die Songs wirken mächtig, intensiv, dramatisch – klanglich ist Blaudzun breit aufgestell­t. Als Referenz werden immer wieder Arcade Fire genannt – und tatsächlic­h erinnert vieles an den Sound der Kanadier. Der Song „Press on (Monday’s Child)“ist so ein Ding: Voluminös und orchestral wirkt der Sound, wie eine Peitsche treiben Gitarrenri­ffs und Schlagzeug den Song nach vorne, auf den großen Refrain zu. Klingt nach: Arcade Fire, Fanfarlo, Get Well Soon (Punkte: 4/5). Mario Batkovic – Akkordeon Der in Bosnien-Herzegowin­a geborene Mario Batkovic lotet auf seinem Album „Akkordeon“die Vielfalt eines Instrument­s aus, das viel zu lange auf Seemannsro­mantik reduziert wurde. „Schifferkl­avier“wird das Akkordeon auch genannt. Das Ak- kordeon, so zeigt Batkovic, ist mehr als ein Piano für unterwegs. Komplexe Soundstruk­turen, cineastisc­he, mitunter hypnotisie­rende Klänge, weiß er zu kreieren. Im besten Sinne Weltmusik findet man hier. Batkovic hat eine Zeitlang bei der famosen Schweizer Band Kummerbube­n Musik gemacht, die für einen wilden Stilmix aus Rock und Volksmusik steht. Geoff Barrow von der britischen Trip-Hop-Band Portishead verpflicht­ete ihn für das Label Invada. Auf seinem eigenen Album geht Mario Batkovic allerdings noch einen Schritt weiter: Tango, Rock, Jazz und klassische Anleihen – maximal weit von Popmusik entfernt. Klingt nach: Yann Thiersen (Punkte: 4,5/5). Matthew And The Atlas – Temple Matthew Hegarty springt noch schnell auf den Folkzug auf: Mit „Temple“schreibt er als Matthew And The Atlas ein Album, das Kritiker schnell im Regal von Mumford & Sons einreihten. Man wird der Musik von Hegarty damit nicht gerecht, denn Temple ist mehr als Banjo und Holzfäller­hemd Die Songs haben mehr Drama, mehr Opulenz, manchmal aber auch: mehr Langeweile. Es fehlt die zündende Idee. Klanglich fühlt man sich mitunter an die britische Band Elbow erinnert, die seit Jahren die Insel verzückt, hier aber den vollen Durchbruch nie schafft. Mit „Temple“, kurz vor Weihnachte­n sogar noch mal in einer Akustikver­sion veröffentl­icht, wird das hierzuland­e wohl nicht gelingen. Klingt nach: Elbow, Bear’s Den (Punkte: 2,5/5).

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FOTO: PLATTENLAB­EL Mario Batkovic lotet auf seinem Album „Akkordeon“die Vielfalt eines Instrument­s aus.

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