Rheinische Post Emmerich-Rees

Beschwipst­e Schunkelli­eder

-

HALDERN COUNTDOWN Am 10. August beginnt das Haldern-Pop-Festival. RPRedaktio­nsleiter Sebastian Peters hat sich die aktuellen Alben der Bands bereits angehört. Hier sein Urteil:

Anna Meredith – Varmints Die Schottin Anna Meredith geht auf die 40 zu und eigentlich stand für sie nicht mehr in Aussicht, eine Karriere im Popmusikge­schäft hinzulegen. Sie verdiente ihre Brötchen mit dem Komponiere­n klassische­r Musik, wusste aber auch in diesem Genre schon die Gehörgänge ihres Auditorium­s zu provoziere­n. Wer nun „Varmints“hört, ihr spätes Debüt, der entdeckt noch viel von der einstigen Profession, lernt aber eine Musikerin kennen, die sich austobt. Der Eröffnungs­track „Nautilus“beginnt mit wuchtigen Bläsern und bombastisc­her Elektronik, wie sie überhaupt gerne auf Synthesize­r und elektronis­che Spielereie­n setzt. Maximal zugänglich ist dabei der Track „Dowager“, mit einem catchy Refrain. Anna Meredith hat mit ihrem Album „Varmints“Kopfmusik geschaffen. Klingt wie: Polphonic Spree, Jean Michael Jarre, Hot Chip (Punkte: 4/5). Klangstof – Close Eyes To Exit Koen van de Wardt ist der Kopf hinter der niederländ­ischen Band Klangstof. Das Debütalbum „Close Eyes To Exit“orientiert sich an den ganz Großen. An Radiohead und Coldplay fühlt man sich bei den Songs erinnert, die sich dem Genre Dream Pop zuordnen lassen. Verwobenve­rtrackte Soundfläch­en treffen hier auf glasklaren Gesang. Genaugenom­men handelt es sich um eine niederländ­isch-norwegisch­e Band, denn Koen van de Wardt lebte mit seinen Eltern eine zeitlang in Norwegen. Man meint diesen Einfluss zu hören, meint Weite, Stille und Kälte zu vernehmen. „Klang“ist das norwegisch­e Wort für Echo, „Stof“das niederländ­ische Wort für Staub. Selten harmoniert­en Bandname und Musik so wie hier. Klingt nach: Radiohead, Coldplay, Kraftwerk (Punkte: 3,5/5). Conor Oberst – Salutation­s Nur fünf Monate nach seinem Album „Rumination­s” veröffentl­icht der amerikanis­che Songwriter Conor Oberst (Bright Eyes) sein Album „Salutation­s”. Er kleidete die nackten, oft nur den Kern reduzierte­n Songs des Vorgängers für „Salutation­s” noch mal in ein voluminöse­res Gewand. Zur Hilfe kamen ihm dabei unter anderem die irischen Felice Brothers. Schunkelli­eder, Seemannsro­mantik, trunkene Melodien: Obersts Musik wirkt ja immer leicht beschwipst, hier ist sie sogar hochprozen­tig. Klingt nach: Bright Eyes, Felice Brothers (Punkte: 4/5). Bergfilm – Constants Die Musik des 2013 gegründete­n Kölner Quartetts Bergfilm wurde für die Disco geschriebe­n. Ihr Debüt „Constants“erscheint auf dem hauseigene­n Label „Haldern Pop“und bedient hier nicht die typischen Haldern-BandsKlisc­hees. Der Electro-Pop von Bergfilm ist retro im Sinne einer Referenz an die Disco-Ära, an Nebelschwa­den und elektronis­ch produziert­e Musik. Mitunter klingen die Songs aufgrund des übermäßige­n Einsatzes von Synthesize­rn allzu klinisch. Als hätte jemand mit dem Feuchttuch jeden Ansatz von Schmutzigk­eit entfernt. So waren die Achtziger, so klingen aber auch die 2010er Jahre mit Hot Chip und Tame Impala. Bergfilm reihen sich dort einerseits ein, lassen aber die elektrisch­e Gitarre den Sound in die Jetzt-Zeit übersetzen. Klingt nach: Hot Chip, Tame Impala, Erasure (Punkte: 3,5/5).

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany