Rheinische Post Emmerich-Rees

Folkerts kommt mit Blechtromm­el

- VON MATTHIAS GRASS

Der Klever Kulturherb­st bietet 2017 nicht nur Kabarett und Comedy: Neben Paul Panzer, der Springmaus, „Dennis“und Abdelkarim kommt Ulrike Folkerts mit einer szenisch-musikalisc­hen Lesung des Weltbestse­llers von Günther Grass.

KLEVE Es ist einer der wohl berühmtest­en ersten Sätze der jüngeren Literaturg­eschichte: „Zugegeben, ich bin Insasse einer Heil- und Pflegeanst­alt, mein Pfleger beobachtet mich, lässt mich kaum aus dem Auge; denn in der Tür ist ein Guckloch, und meines Pflegers Auge ist von jenem Braun, welches mich, den Blauäugige­n, nicht durchschau­en kann.“

Es ist der Einstieg in ein Bild- wie wortgewalt­iges Werk, der Einstieg in die Erzählung aus der Perspektiv­e des kleinwüchs­igen Oskar Matze-

„Unsere Fassung der Blechtromm­el dauert knapp zwei Stunden, sie

hat viel Power“

Ulrike Folkerts rath. Der Roman um Matzerath „Die Blechtromm­el“katapultie­rte den damals allenfalls Insidern bekannten Günther Grass direkt in die Spitze der Weltlitera­tur und war maßgeblich für den spät verliehene­n Literaturn­obelpreis ausschlagg­ebend. Günther Grass las 1958 die ersten Kapitel vor der versammelt­en „Gruppe 47“und „Autoren-Vater“Hans-Werner Richter. Der beschrieb den Autor, der auch gut habe zeichnen können, als verwegen: „Desperat wie ein bettelnder Zigeuner“, so Richter in seinen Erinnerung­en über die „Gruppe 47“, zu der unter anderem Heinrich Böll, Martin Walser, Ingeborg Bachmann, Ilse Aichinger und auch Ingrid Bachér zählten. Günther Grass’ Lesung auf der Tagung im „Adler“in Großholzle­ute war legendär.

Für den Kulturherb­st in der Klever Stadthalle hat Kulturmana­ger Bruno Schmitz das Experiment gewagt, zur musikalisc­hen Lesung mit ausgewählt­en Szenen aus der Blechtromm­el einzuladen. Eine Lesung mit Schlagwerk – immerhin geht’s um die Blechtromm­el. Ulrike Folkerts, vor allem als Kommissari­n Lena Odenthal bekannt, spricht den kleinen Oskar, Clemens von Ramin übernimmt die Rolle des Erzählers, Stefan Weinzierl untermalt die Texte mit Vibrafon und Perkussion.

„Der Schlagzeug­er Stefan Weinzierl hatte die Idee zu dieser Vertonung. Natürlich ging es zunächst darum, dieses gewaltige Werk von Günter Grass in ein bühnenfähi­ges Format zu bringen. Unsere Fassung dauert knapp zwei Stunden, sie hat viel Power“, sagt Folkerts in einem Interview. Und sieht zugleich sehr aktuelle Bezüge: „Es gibt in der Gesellscha­ft einen Ruck nach rechts, und wenn wir nicht aufpassen, wer- den es immer mehr. Grass beschreibt diese Entwicklun­g am Beispiel der 30er Jahre: Leute, die mitmachen – Leute, die wegschauen – Leute, die sich wehren.“

Weinzierl hatte Günther Grass die Idee noch vorgestell­t, bevor der Literaturp­reisträger starb. Jetzt steht die Lesung, Folkerts und ihre Kollegen tingeln damit über die Bühnen der Republik: im Schräglich­t die beiden Schauspiel­er, in der Mitte wie eine Burg die Instrument­e des Perkussion­isten. Man vertraut der Kraft des Wortes und der Intuition der Musik, der Vielfältig­keit des Schlagwerk­s, das der Hamburger Weinzierl auf die Bühne türmt. „Die Blechtromm­el – szenische Lesung mit Schlagwerk­musik“gastiert am Freitag, 10. November, 20 Uhr. Vormerken!

Natürlich bedient Schmitz beim „Kulturherb­st 2017 von Stadt Kleve und Kulturbüro Niederrhei­n“mit dem Programm auch das verwöhnte Klever Comedy- und KabarettPu­blikum. Mit der szenischen Le- sung sind es fünf weitere Abende in der Stadthalle, denn Paul Panzer wird zum Auftakt gleich zweimal in Kleve gastieren: Am Freitag 22., und Samstag 23. September gibt der Komiker eine Preview für sein neues Programm „Glücksritt­er – vom Pech verfolgt“. Paul Panzer spielt sonst nur in deutlich größeren Hallen als die vergleichs­weise kleine in Kleve. Mit zwei Auftritten als Preview funktionie­rt das aber, freut sich Schmitz. Zumal Panzer aus alten Zeiten Kleve kennt. Es geht in seinem Programm um Sinn und Zweck des Seins, um die innere Mitte und die Frage, ob die Abwesenhei­t von Pech schon Glück ist.

Am Freitag, 29. September, gastiert die in Kleve bestens bekannte Springmaus mit dem neuen Programm „Jukebox – live“. Dabei widmen sich die Springmäus­e dem (Broad-)Way of Life der Anwesenden, sagt Schmitz. „Der Dennis“kommt am Sonntag, 8. Oktober, nach Kleve. Sein Programm „Ich seh voll reich aus!“erzählt nicht nur von seinem Lieblingst­reffpunkt, der Tankstelle. Als „der Dennis“habe Komiker und Schauspiel­er Martin Klempow die Comedywelt in Sturm erobert, schwärmt Schmitz.

Den Abschluss am 13. Dezember macht der marokkanis­che Deutsche oder deutsche Marokkaner Abdelkarim, der es regelmäßig in die ZDF „heute-show“schafft.

 ?? FOTO: JORINDA GERSINA ?? Ulrike Folkerts tritt am 10. November mit einer szenischen Lesung in Kleve auf.
FOTO: JORINDA GERSINA Ulrike Folkerts tritt am 10. November mit einer szenischen Lesung in Kleve auf.

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