Rätsel um den Goldring von Wilhelm Röntgen
Spannende Nachfrage aus den USA. Das Schmuckstück könnte aus der Emmericher Werkstatt der Familie Hüser stammen.
EMMERICH (nk) In seinem Labor in Würzburg entdeckte Wilhelm Conrad Röntgen (1845-1923) am 8. November 1895 die neuen Strahlen, die er X-Strahlen nannte, wofür er 1901 in Stockholm den Physik-Nobelpreis erhielt. Während seine wissenschaftlichen Leistungen durchleuchtet sind, gibt des Privatleben Röntgens immer noch Rätsel auf. Im familiären Umfeld spielt auch Emmerich eine Rolle.
Wilhelm C. Röntgen wurde am 27. März 1845 in Lennep im Bergischen Land als Sohn des vermögenden Stoffhändlers Friedrich Röntgen und der aus Amsterdam stammenden Charlotte Constanze, geb. Frowein, geboren. Im Revolutionsjahr 1848 zog die Familie nach Apeldoorn in den Niederlanden um, wohl weil der Vater sich hier bessere Geschäfte erhoffte. Vielleicht aber auch weil, seine Frau aus den Niederlanden stammte und Heimweh verspürte. Ihr Sohn Wilhelm besuchte die Technische Schule in Utrecht. Er hatte zwar gute Noten, wurde aber ohne Abschluss der Schule verwiesen, weil man ihn irrtümlich für den Urheber einer Karikatur seines Klassenlehrers gehalten hatte. Röntgen nahm Reißaus und begann 1865 an der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) in Zürich sein Studium – Beginn einer beispiellosen Karriere. Ein Bruder seines Vaters war Ferdinand Röntgen. Der Kaufmann heiratete am 30. April 1839 in Emmerich Katharina Hüser aus Emmerich, die Tochter eines verstorbenen Gold- und Silberarbeiters. Das Adressbuch der Bürgermeisterei Emmerich 1833 weist noch die Witwe Hüser aus.
Und jetzt wird’s interessant. Ein in Portland (Oregon) lebender Nachfahre Röntgens, Frank Wilson, hat vor einigen Tagen Kontakt zum Emmericher Stadtarchiv aufgenommen und darum gebeten, ihm bei der Familienforschung behilflich zu sein. Es geht vor allem um einen kleinen, echten Goldring, den der pensionierte Neurologe besitzt und untersuchen ließ. Der Ring mit der Gravur F. Röntgen und der Jahreszahl 1869 gibt einige Rätsel auf. Dazu gibt es mehrere Theorien. Es liegt nahe, dass der Ring in der Hüserschen Werkstatt in Emmerich anlässlich der Hochzeit von Ferdinand und Katharina Röntgen 1839 angefertigt worden ist. Allerdings irritiert im Ring die Jahreszahl 1869. In diesem Jahr allerdings haben sich Wilhelm C. Röntgen und die aus Zürich stammende Wirtstochter Anna Bertha Ludwig verlobt, ehe sie 1872 in Apeldoorn heirateten. „Frau Hüser starb 1861, und ihr Witwer Ferdinand hätte den Ring seinem Neffen Wilhelm und Anna Bertha geben können“, lautet eine Erklärung Frank Wilsons. Aus diesem Anlass wäre die Gravur dann ergänzt worden. Denkbar ist auch, dass Wilhelm C. Röntgen den Ring von seinem Vater zur Promotion in Zürich bzw. zur Verlobung 1869 erhielt.
Leider gibt es weder im Stadtarchiv Emmerich, noch bei der Kreishandwerkerschaft Kreis Kleve Unterlagen über das Gold- und Silberschmiedehandwerk in Emmerich im 19. Jahrhundert. Die Innungsrolle beginnt erst 1930.
Ende September will Frank Wilson über den großen Teich fliegen und bei Besuchen in Emmerich, Apeldoorn und am Geburtsort Röntgens in Remscheid-Lennep dem mysteriösen Ring auf die Schliche kommen.
Etwa zeitgleich zur Anfrage Wilsons in Emmerich machte Brigitte Scheike-van der Veen beim Aufräumen ihres Kellers an der Rheinpromenade eine Entdeckung, die auch mit Röntgen zu tun hat. Sie staunte nicht schlecht, dass drei Dokumente hinter Glas gerahmt waren. Auf der Rückseite klebten Zettel mit mehrsprachigen Übersetzungen. In einem vom 6. Dezember 1901 datierten Schreiben bittet Röntgen das bayerische Staatsministerium, Urlaub nehmen zu dürfen, um den Nobelpreis in Stockholm entgegennehmen zu dürfen.
Leider handelt es sich nicht um Originale, wie Volker Kocks vom Stadtarchiv Wesel herausfand. Möglich, dass sie einem Neffen des berühmten Sportmediziners Dr. Ernst van Aaken (1910-1984) gehörten, der sie von dem aus Emmerich stammenden „Laufdoktor“erhielt.