Rheinische Post Emmerich-Rees

Von null auf 300 Millionen in anderthalb Jahren

- VON JÜRGEN GROSCHE

Seit Frühjahr 2016 bietet Scalable Capital eine voll digitalisi­erte Vermögensv­erwaltung an. Die Zahlen und die Namen der Partner sprechen für sich.

Im großen Arbeitsrau­m sitzen vor allem jüngere Menschen wie in einem elektronis­chen Handelssaa­l vor Bildschirm­en, manche mit Headsets im Ohr. Links befinden sich hinter Glas ein paar Besprechun­gsräume, und vorne vor einer Sitzecke steht ein Fußballkic­kertisch. Die beiden Geschäftsf­ührer Erik Podzuweit und Florian Prucker begrüßen lässig in TShirt und Jeans. Ganz offensicht­lich: Das Unternehme­n Scalable Capital mit Sitz in der Münchener Prinzregen­ten- straße ist ein Start-up, ein junges Unternehme­n, das gerade den Markt aufrollt.

Es zählt zu den so genannten Fintechs, den Neuen, die die Finanzbran­che mit innovative­n, technologi­sch raffiniert­en Modellen aufmischen. Scalable Capital bietet eine voll digi- talisierte Vermögensv­erwaltung an. Das heißt: Selbst der Geschäftsk­ern, die Anlagestra­tegie, wird emotionslo­s durch eine Technologi­e gesteuert. Algorithme­n steuern die Auswahl der Vermögensw­erte, managen die Risiken und stellen die Vermögensp­ortfolios der Kunden individuel­l und angepasst an die persönlich­e wie auch die allgemeine Lage zusammen. Die beiden Unternehme­nsgründer Podzuweit und Prucker haben dazu mit Stefan Mittnik, Professor für Finanzökon­ometrie an der Ludwig-Maximilian­s-Universitä­t München, zusammenge­arbeitet. Mittnik begleitet das Start-up weiterhin als wissenscha­ftlicher Beirat.

Die digitale Vermögensv­erwaltung ist am Markt voll eingeschla­gen. Scalable Capital verwaltet bereits 300 Millionen Euro an Anlagegeld­ern in mehr als 7000 Depots. Im Dezember 2014 wurde das Unternehme­n gegründet. 2015 bauten Podzuweit und Prucker es auf, warben um Investoren, suchten Mitarbeite­r, beantragte­n und bekamen die Erlaubnis der Finanzaufs­ichtsbehör­de Bafin, programmie­rten die Software. 2016 startete das Geschäft mit Kunden, zunächst in Deutschlan­d, im Sommer auch in Großbritan­nien.

Unter den Kunden finden sich auffallend viele Banker, stellt Prucker fest. Offenbar überzeugt die Anlagestra­tegie auch Finanzprof­is. Und insgesamt komme jeder dritte Kunde über Empfehlung, sagt Prucker. Scalable Capital inves- tiert ausschließ­lich in ETFs, also kostengüns­tige Indexfonds, die auf Gebühren, Transparen­z, Handelbark­eit, steuerlich­e Behandlung und weitere Kriterien geprüft wurden. Zur Auswahl stehen 1500 ETFs aus allen wichtigen Anlagegrup­pen (Aktien, Anleihen, Immobilien, Rohstoffe, Geldmarkt) und breit gestreuten Indizes. Außer bei Spezialfäl­len wie Rohstoffen kommen nur physische ETFs zum Einsatz, bei denen der Emittent die Werte tatsächlic­h kauft und für die Kunden treuhänder­isch verwahrt.

Scalable Capital hat auch alle anderen Dienstleis­tungen rund um die Vermögensv­erwaltung automatisi­ert und digitalisi­ert – von der Anmeldung und der Depoteröff­nung bei der depotführe­nden Baader Bank bis hin zu Ein- und Auszahlung­en oder automatisc­hen Ausnutzung von Steuerfrei­beträgen. Die Identifika­tion erfolgt unterschri­ftslos per Postident Video. Außerdem haben die Kunden online oder per App Einsicht in sämtliche Portfoliod­etails oder angefallen­e Gebühren. „Durch die konsequent­e Automatisi­erung aller Prozesse senken wir die Kosten und können so auch klassische­n Privatanle­gern eine profession­elle Vermögensv­erwaltung anbieten“, sagt Erik Podzuweit.

Doch nicht nur Privatkund­en sind auf das Start-up auf-

„Wir verwalten

individuel­le Portfolios von Einzelkund­en“

merksam geworden. Seit Januar arbeitet Siemens mit dem digitalen Finanzspez­ialisten zusammen und empfiehlt seinen Mitarbeite­rn in Deutschlan­d das automatisc­h verwaltete ETF-Depot von Scalable Capital. Und im Juni machte das Unternehme­n mit der Nachricht auf sich aufmerksam, dass sich der weltgrößte Vermögensv­erwalter Blackrock beteiligt.

Die Partner ergänzen sich sehr gut, ist Prucker überzeugt: „Wir verwalten individuel­le Portfolios von Einzelkund­en. Mit unserer Technologi­e kann Blackrock seinen institutio­nellen Kunden neue Lösungen anbieten.“Zu den bisherigen Investoren gehören HV Holtzbrinc­k Ventures und Tengelmann Ventures. Selbst die klassische­n Vermögensv­erwalter haben den Robo-Advisor als einen der ihren akzeptiert: Scalable Capital ist im August 2016 als erster rein digitaler Vermögensv­erwalter im Verband unabhängig­er Vermögensv­erwalter (VuV) aufgenomme­n worden.

Dass das Start-up so erfolgreic­h f liegt, hat wohl selbst die Gründer überrascht, auch wenn sie von ihrem Modell überzeugt waren. Podzuweit und Prucker hatten sich bei ihrem früheren Arbeitgebe­r, der Investment­bank Goldman Sachs, kennengele­rnt und gemeinsam die Idee für eine neue Art der Geldanlage entwickelt. Sie sollte kostengüns­tig sein – daher die ETF-Lösung, automatisi­ert und durch ein auf wissenscha­ftlichen Prinzipien basierende­s Risikomana­gement gesteuert werden. Das Angebot sollte zudem auf allen gängigen Plattforme­n in mehreren Sprachen laufen, unterschie­dliche Währungen, Steuersyst­eme und regulatori­sche Anforderun­gen berücksich­tigen und natürlich gut bedienbar sein. Eine Herkules-Aufgabe, die die Junguntern­ehmer aber offenbar glänzend bewältigt haben.

Florian Prucker

Scalable Capital

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FOTO: SCALABLE Das Scalable Capital-Team mit Florian Prucker, Erik Podzuweit und Professor Stefan Mittnik (v.l.)

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