Rheinische Post Emmerich-Rees

Die „ganze Geschichte“über die AfD

- VON ECKHARD JESSE

Justus Bender liefert ein differenzi­ertes Bild der Aufsteiger-Partei.

Der Begriff des Populismus, zumeist mit dem Präfix „rechts“, ist in aller Munde. Die 2013 ins Leben gerufene Alternativ­e für Deutschlan­d (AfD), auf die ein solches Etikett passt, zog seit der Bundestags­wahl 2013 in 13 Landesparl­amente ein, davon sieben Mal mit zweistelli­gen Ergebnisse­n. Auch wenn die Resultate 2017 nur unterdurch­schnittlic­h ausfielen, muss diesen Herbst mit einer parlamenta­rischen Repräsenta­nz der weder koalitions­willigen noch -fähigen Partei im Bund gerechnet werden.

Justus Bender von der FAZ hat die Partei von Anfang an intensiv beobachtet, und so erhält der Leser einen gut recherchie­rten Einblick in das Innenleben der in sich zerstritte­nen Kraft. Obwohl er Kritiker der Partei ist, verfällt er nicht in einen diffamiere­nden Antifa-Jargon. Für Bender ist die AfD eine „rechtspopu­listische Partei mit radikalen Strömungen“. Die Urteile sind eine Nuance härter als die der „Spiegel“-Autorin Melanie Ammann in ihrem Buch. Beide halten die Partei auf absehbare Zeit für etabliert.

Die subjektive „Ich“-Sicht Benders stört nicht; und seine offene Haltung kommt sympathisc­h daher: „Wenn mich jemand fragt, wie die AfD so ist, so weiß ich manchmal nicht, was ich erzählen soll. Die bösen oder die netten Anekdoten. Am besten erzähle ich immer die ganze Geschichte.“Die „ganze Geschichte“ist meistens negativ. Diese Perspektiv­e steht Bender zu. Was hingegen missfällt: Für ihn ist Götz Kubitschek, dem Selbstvers­tändnis nach ein Protagonis­t der neuen Rechten, fälschlich­erweise ein „AfD-Vordenker“, obwohl dessen Aufnahmege­such abgelehnt wurde. Dass Kubitschek das in seiner vollmundig­en Art so sieht, mag sein, doch dürfte ihm ein versierter Journalist nicht auf den Leim gehen.

Für Bender sind die Repräsenta­nten der AfD „Anti-68er“. Sie wollen zurück in die 50er Jahre. In der Tat sind es weniger ökonomisch­e Grün- de, die den Aufstieg der Partei erklären. Doch könnte die Gesellscha­ft die AfD nicht mehr verändern als diese die Gesellscha­ft verändert? Der Autor zweifelt daran und lässt Parallelen zu den Grünen, einer früheren „Alternativ­e“, nicht gelten.

Benders Empfehlung lautet, AfDPolitik­er in die Enge zu treiben, indem man sie fragt, wie die Partei ihre Ziele erreichen will. Wer eine politische Kraft als populistis­ch begreift, hat damit noch kein Urteil über einen möglichen Extremismu­s gefällt. Populismus ist ein Politiksti­l, Extremismu­s eine inhaltlich­e Position, die den demokratis­chen Verfassung­sstaat aus den Angeln zu heben gedenkt. Um diese Frage drückt sich der Autor etwas. Gleichwohl: Das Buch mit der Kritik am plebiszitä­ren Politikver­ständnis der auf das Internet fixierten neuen Partei ist lebendig geschriebe­n und liefert reichhalti­ges Anschauung­smaterial zu einer möglicherw­eise künftigen Kraft im Bundestag.

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FOTO: DPA AfD-Politiker Petry und Höcke.
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