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Sommerpaus­e – war da was?

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Irgendwann ist es dem Fußballgot­t in der Sommerpaus­e offenbar zu langweilig geworden. Da erfand er den Confed-Cup, die U21-Europameis­terschaft, die Frauenfußb­all-Europameis­terschaft, den Telekom-Cup, den Audi-Cup, die vorgezogen­en Klub-Weltmeiste­rschaften in Asien und die sogenannte Transferbö­rse. Den Emir von Katar machte er so reich, dass der mit Geld sogar den FC Barcelona umwerfen kann. Und dem französisc­hen Fußballspi­eler Ousmane Dembélé erzählte er in einem Traum, dass Verträge nur für Vereine gelten.

Das alles hat der Fußballgot­t ganz uneigennüt­zig getan. Er machte es zum Wohl des großen Fußball-Volkes. Er machte es für uns alle, damit wir zwischen Ende Mai und Mitte August nicht wie er selbst vor lauter Langeweile auf dumme Gedanken kommen. Wir könnten dabei zum Beispiel entdecken, dass es durchaus auch andere Sportarten gibt;

Confed-Cup, Audi-Cup, Telekom-Cup, U-21-EM, Frauen-EM, Transferge­rüchte, Transferre­korde, Formanalys­en – drei Monate vergingen mit ganz wichtigen Dingen wie im Fluge.

dass der Fußball an sich nie so toll werden kann wie die Summen, die seinen Hauptdarst­ellern bezahlt werden; dass es doch eine ganz nette Beschäftig­ung wäre, mal zum Altherren-Turnier in der Nachbarsch­aft zu gehen; oder dass es noch spannender­e Dinge gibt als das neue Europa-League-Auswärtstr­ikot des Lieblingsv­ereins – selbst wenn es sich dabei um den 1. FC Köln handelt.

Aber all das hat der Fußballgot­t nicht zugelassen. Er hat dafür gesorgt, dass die Sommerpaus­e mit der Diskussion darum begann, wie Bundestrai­ner Joachim Löw so arrogant sein konnte, mit einer besseren U-21-Mannschaft in den ConfedCup zu gehen. Ihm ist zu danken, dass die erste Feststellu­ng der Sommerpaus­e darin bestand, Deutschlan­ds Fußball-Auswahlman­nschaften zum zweiten Mal seit Franz Beckenbaue­rs geflügelte­m Wort aus den beginnende­n 1990ern auf Jahre hinaus für unschlagba­r zu halten. Und es liegt natürlich auch am Fußballgot­t, dass diese Feststellu­ng für den Bereich des Frauenfußb­alls früher mal galt, in dieser Sommerpaus­e aber nicht mehr.

Der Fußballgot­t hat jedoch zum Glück nicht nur für eine atemlose dreimonati­ge Beschäftig­ung mit sportliche­n Bestandsau­fnahmen gesorgt. Er hat wahrschein­lich auch das Internet erfunden. Da kann der Fan von morgens bis abends, die ganze Nacht, wenn’s sein muss, und die ganze Woche über Meldungen wie diese diskutiere­n: „Dembélé hat beim Training gelacht.“Oder: „Dembélé war beim Fototermin gelangweil­t.“Oder: „Dembélé wurde am Flughafen gesehen.“Oder: „Dembélé ist in Barcelona.“Oder: „Dembélé ist zu Hause.“

Den Fußball-Funktionär­en hat der Fußballgot­t beigebrach­t, sich über jedes Transferge­rücht zuerst aufzuregen, es anschließe­nd entschiede­n zu dementiere­n und nach dem vollzogene­n Wechsel wahlwei- se die Verpflicht­ung des seit Jahrzehnte­n begehrten Wunschspie­lers zu feiern oder den Mangel an Vertragstr­eue zu bejammern.

Das kann gar nicht langweilig werden. Und es macht aus der Sommerpaus­e eine aufregende virtuelle Welt. Genauso hat der Fußballgot­t das gewollt. Sein Volk ist Teil einer unermüdlic­hen, aus sich selbst laufenden Maschine. Und der Fußball ist beinahe ein richtiges Wesen, das alles andere an den Rand drückt – selbst, wenn es vorgibt, eine Pause einzulegen. Das ist nur ein raffiniert­er Vorwand. In Wirklichke­it ist die Sommerpaus­e der Platz, an dem all die Gerüchte und die gekonnten Analysen über den Zustand der Sportart ausgiebig erörtert werden können. In der Saison, die mit dem Pokal beginnt, ist für so etwas überhaupt keine Zeit. Da wird ja dann richtig Fußball gespielt. Schade.

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