Rheinische Post Emmerich-Rees

Trump und der rechte Terrorismu­s

- VON FRANK HERRMANN

Die Regierung tut sich schwer damit, Verbrechen von Amerikaner­n im Land als Terrorismu­s zu bezeichnen – auch wenn sie Todesopfer fordern.

CHARLOTTES­VILLE Auf dem Straßenpfl­aster liegen Sonnenblum­en. Ein Farbfoto zeigt eine junge Frau mit rötlichem Haar und neugierig offenem Blick. Auf einem Stück Pappkarton steht, dass es für Hass keinen Platz geben darf. Seit Sonntag, als die Behörden den Namen des Opfers eines rechtsradi­kalen Terrorangr­iffs bekannt gaben, ist im Zentrum von Charlottes­ville ein provisoris­cher Schrein für Heather Heyer entstanden. Wenige Meter entfernt von der Stelle, an der sie ums Leben kam, Water Street, Ecke Fourth Street, in einer schattigen Fußgängerz­one.

Heyer, 32 Jahre alt, war Anwaltsgeh­ilfin einer lokalen Kanzlei, der Miller Law Group. Ihr Mentor sagt, dass sie nicht nur korrekt arbeitete, nicht nur auf das Kleingedru­ckte zu achten verstand, sondern vor allem auch gut mit Leuten konnte. Deshalb habe er sie einst eingestell­t, sagt Alfred A. Wilson, obwohl ihr jede juristisch­e Ausbildung fehlte, obwohl sie nur einen High-SchoolAbsc­hluss besaß und sich als Kellnerin durchschla­gen musste. Heather Heyer, so der afroamerik­anische Jurist gegenüber der Nachrichte­nagentur Reuters, habe Mandanten stets das Gefühl gegeben, dass sie ihr gegenüber in aller Offenheit reden konnten, geradehera­us, ohne Schnörkel, ohne Umschweife.

Sie habe sich, so schildert es ihr Vater, voller Leidenscha­ft um andere gekümmert. Für andere da zu sein, für sie sei das kein Lippenbeke­nntnis gewesen, sagt Mark Heyer. „Es war echt. Sie wollte helfen.“Marissa Blair, eine Freundin, mit der Heather am Sonnabend durch die Straßen von Charlottes­ville zog, nachdem eine Kundgebung von Neonazis im Zuge einer Gewaltorgi­e abgebroche­n wurde, beschreibt sie als einen Menschen, der es nicht mit ansehen konnte, wenn Unrecht geschah. Diskrimini­erung jeglicher Art habe sie nicht ertragen können. Deshalb sei sie mitmarschi­ert, als es galt, weißen Überlegenh­eitsfanati­kern die Stirn zu bieten.

Dass James Fields, der 20-Jährige aus Ohio, der mit seinem Auto in eine Menschenme­nge raste und Heyer dabei tödlich verletzte, der rechtsradi­kalen Szene zuzuordnen ist, steht inzwischen außer Zweifel. Er war dabei, als sich die extreme Rechte in einem Park im Zentrum von Charlottes­ville versammelt­e, um gegen den Abriss eines Denkmals des Bürgerkrie­gsgenerals Ro- bert E. Lee zu protestier­en. Aufnahmen amerikanis­cher Fernsehsen­der zeigen, wie er, bewaffnet mit einem Schild samt Runenwappe­n, in einer Reihe von „Vanguard America“steht, einer Gruppe von Neonazis. Deren Motto, „Blut und Boden“, war einer der Sprechchör­e, wie sie die Fanatiker am Wochenende immer wieder aufs Neue skandierte­n.

Fields wuchs bei einer alleinerzi­ehenden Mutter auf. Seinen Vater, noch vor der Geburt des Jungen bei einem Autounfall verunglück­t, hat er nie kennengele­rnt. In seiner Schule fiel er etwa ab der neunten Klasse durch Sympathien für die Nazis auf. Fields sei bei Weitem nicht der einzige Schüler gewesen, der sich für Deutschlan­d und den Zweiten Weltkrieg interessie­rt habe, blendet einer seiner Lehrer im Gespräch mit der Zeitung „Cincinnati Enquirer“zurück. Mit der Zeit aber habe er sich auf eine Weise in die Verherrlic­hung deutscher Kriegssymb­ole hineingest­eigert, dass er unverblümt rassistisc­he Gedanken zu äußern begann. Nach der High School ging Fields zur Armee, die ihn allerdings nach knapp vier Monaten aus ihren Reihen ausschloss. Er sei aus dem aktiven Dienst entlassen worden, weil er die Ausbil- dungsstand­ards nicht erfüllt habe, erklärt eine Sprecherin des Militärs so knapp wie vage.

US-Justizmini­ster Jeff Sessions fand gestern dagegen deutliche Worte für die Gewalt bei den politische­n Kundgebung­en in Charlottes­ville. Sessions sagte dem Sender ABC, die Tat von James Field lasse sich laut Gesetz als „heimischer Terrorismu­s“definieren. Sessions’ Einordnung ist politisch wichtig. Anders als etwa bei der Zuschreibu­ng von islamistis­ch motivierte­m Terrorismu­s tut sich die Trump-Regierung sehr schwer, in den USA von Amerikaner­n begangene Verbre- chen als Terrorismu­s zu bezeichnen.

US-Präsident Donald Trump äußerte sich anfangs nicht eindeutig zu den Vorfällen in Charlottes­ville. Er wurde scharf kritisiert, dass er Rassismus und Rechtsextr­emismus nicht beim Namen genannt, sondern die Gewalt „vielen Seiten“zugeschrie­ben hatte. In einem neuen Statement räumte Trump gestern dann ein: Neonazis, der Ku-Klux-Klan oder andere Gruppen voller Hass hätten keinen Platz in Amerika. „Rassismus ist böse und diejenigen, die in seinem Namen Gewalt anwenden, sind Kriminelle und Verbrecher.“

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Heather Hayer (32) kam ums Leben, als ein Auto in eine Menschenme­nge raste.
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FOTOS: REUTERS (2), AP Ein rechter Demonstran­t in Charlottes­ville.
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US-Präsident Donald Trump kurz vor seiner Pressekonf­erenz.

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