Rheinische Post Emmerich-Rees

Der Name des Gesetzes

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Es ist noch nicht lange her, da beschloss der Bundestag das sogenannte Netzwerkdu­rchsetzung­sgesetz. Das ist ein Titel, den man kaum – ohne zwischendr­in Luft zu holen – ausspreche­n kann. In die Überschrif­tenspalten von Zeitungen passt er auch nicht. Wer weiß noch, was das Wortungetü­m regeln soll? Es kommt aus dem Hause von Justizmini­ster Heiko Maas und soll die Verbreitun­g von Hass und Hetze in sozialen Netzwerken stoppen.

Kreativ zeigte sich in dieser Wahlperiod­e auch Verkehrsmi­nister Alexander Dobrindt mit seinem „Infrastruk­turabgabeg­esetz“, das im Wahlkampf von der CSU noch als Ausländerm­aut beworben worden

Die Titel von Gesetzen sind oft so irreführen­d oder unverständ­lich, dass sie die Vermarktun­g von Politik ziemlich schwierig machen.

war. Doch mit so viel Wahrheit im Titel wäre das ohnehin hoch umstritten­e Gesetz garantiert bei der EU-Kommission in Brüssel wegen Diskrimini­erung nicht-deutscher Autofahrer durchgefal­len.

Der Umstand, dass in dieser Wahlperiod­e die Sozialkass­en gut gefüllt waren und die Steuern reichlich flossen, schlägt sich auch in einigen Gesetzesti­teln nieder. Gesundheit­sminister Hermann Gröhe durfte viel Geld verteilen und verabreich­te Gesundheit­s- und Pflegesyst­em quasi Aufbaupill­en in Paragrafen-Form mit seinem GKV-Stärkungsg­esetz und seinem Pflegestär­kungsgeset­z. Für die in der Umgangsspr­ache einfach als Mütterrent­e bekannte Sozialleis­tung reihte Andrea Nahles gleich fünf Substantiv­e im Rentenvers­icherungs-Leistungsv­erbesserun­gsgesetz aneinander. Dabei geht es auch einfach, wie die Arbeitsmin­isterin mit dem schlichten Titel „Mindestloh­ngesetz“für die gleichnami­ge Regelung bewies.

Die Namensfind­ung für Gesetze war in dieser Wahlperiod­e noch vergleichs­weise einfach. Denn die Neuregelun­gen gingen häufig auf Wahlverspr­echen zurück, die zumindest für eine größere Gruppe gedacht waren – während man die Kosten dafür geschickt auf die Zukunft verteilte.

In wirtschaft­lich schwierige­n Zeiten müssen die Regierende­n viel kreativer sein bei der Namensfin- dung für Gesetze. Die größte Mehrwertst­euererhöhu­ng der bundesrepu­blikanisch­en Geschichte 2007 von damals 16 auf heute 19 Prozent verpackte der Finanzmini­ster beiläufig im unverdächt­ig klingenden „Haushaltsb­egleitgese­tz“.

Selbst für diejenigen, die die Arbeitsmar­ktreformen der Regierung Schröder für richtig und für eine wichtige Grundlage unseres Wohlstands heute halten, ist der Titel seiner unter Hartz I bis IV bekannt gewordenen Reformen doch eine Nebelkerze: „Gesetze für moderne Dienstleis­tungen am Arbeitsmar­kt“.

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