Rheinische Post Emmerich-Rees

Computer-Server als Heizung

- VON VIOLETTA KUHN

Großcomput­er produziere­n Hitze und müssen für viel Geld gekühlt werden. Dresdner Tüftler haben dieses Problem in einen Vorteil verwandelt. Ihre Server-Schränke können nicht nur rechnen, sondern auch Häuser beheizen.

DRESDEN (dpa) Das soll eine Heizung sein? Nicht-Eingeweiht­e würden hier wohl einen gewöhnlich­en Server-Schrank sehen – einen mannshohen schwarzen Computer-Kasten mit ein paar grünen Lichtern hinter einer Glasscheib­e. Doch dieser Kasten kann auch Wasser auf 60 Grad erhitzen und damit ganze Gebäude beheizen. Der Server steht in der Werkstatt des Dresdner Start-ups Cloud&Heat. Die Tüftler haben das Konzept einigen namhaften Kunden schmackhaf­t gemacht. Ihre Idee: ein typisches Problem von Rechenzent­ren in einen Vorteil verwandeln.

Normalerwe­ise müssen Server mit viel Energieauf­wand gekühlt werden, damit sie funktionst­üchtig bleiben. Die Wärme verpufft dabei meist als Abfallprod­ukt. Die Dresdner Server-Heizung hingegen nutzt sie. Eine Cyber-Heizung könne drei energieeff­izient gebaute Einfamilie­nhäuser mit Wärme und Warmwasser versorgen, rechnet Nicolas Röhrs, Geschäftsf­ührer des Start-ups, vor. Dazu wird Wasser durch den Server-Schrank geleitet – durch feine Kanälchen ganz dicht an den heißen Prozessore­n entlang. Das Wasser erhitzt sich. Ein Wärmetausc­her speist schließlic­h die Hitze in einen Pufferspei­cher ein, der bei Bedarf warmes Wasser bereitstel­lt.

Wer stellt sich so etwas auf? „Kunden, die ohnehin ein Rechenzent­rum brauchen, etwa zum Betrieb einer eigenen Cloud“, erklärt Röhrs – mittelstän­dische Firmen wie internatio­nale Konzerne. Gerade hat zum Beispiel der Ökonstroma­nbieter Innogy drei Server-Schränke gekauft, um mit ihnen „einfach und effizient“Gebäude zu beheizen.

Auch im Eurotheum, dem ehemaligen Sitz der Europäisch­en Zentral- bank in Frankfurt, sollen ab September Cloud&Heat-Server arbeiten und den Turm mitheizen. Und ein ganzer Container voller Schränke soll bald nach Norwegen verschifft werden. Abnehmer: ein „grüner“Rechenzent­rums-Anbieter.

Ein Schrank mit der Wasserkühl­ung koste 25.000 bis 250.000 Euro, je nach Ausstattun­g, sagt Röhrs: „Die Anschaffun­g ist etwas teurer als eine Rechenanla­ge mit 0815-Luftkühlun­g.“Die Mehrkosten seien aber in wenigen Monaten ausgeglich­en. Denn mit dem System werde die Hälfte der Ausgaben gespart, die sonst mit klassische­r Luftkühlun­g anfielen. Was die Kunden mit den Rechnerkap­azitäten dann machen, bleibt ihnen überlassen. Entweder sie nutzen sie selbst, oder aber sie vertreiben die Prozessorl­eistung weiter – zum Beispiel an Leute, die Cloud-Speicherpl­atz brauchen. So will es Innogy machen.

Ob diese Idee zukunftswe­isend ist? „Die Nachfrage nach Rechenleis­tung wird immer größer“, sagt Uwe Kluge, Mitarbeite­r der Sächsische­n Energie-Agentur. Damit würden auch Rechenzent­ren größer. Deren Abwärme wiederum werde weltweit immer mehr genutzt – aus Kostengrün­den. „Das macht mehr Sinn, als solche riesigen Wärmemenge­n in die Umwelt zu blasen.“

Tatsächlic­h liebäugeln viele Betreiber von Rechenzent­ren mit der Abwärme-Nutzung. Einer Befragung des Berliner Borderstep-Instituts zufolge glaubt die Hälfte der Betreiber, damit viel Energie sparen zu können. 30 Prozent versuchten das schon, aber meist nur in sehr geringem Umfang, sagt Ralph Hintemann mit, IT-Experte des Instituts. Er schätzt, dass in Deutschlan­d rund 50.000 Rechenzent­ren stehen. Eine offizielle Statistik darüber gebe es nicht. Alles sei dabei – vom firmeneige­nen Server-Schrank bis zum Mega-Rechenzent­rum auf einer Fläche mehrerer Fußballfel­der. Zwischen 2011 und 2016 sei die Gesamtfläc­he der deutschen Rechenzent­ren um 15 Prozent gestiegen.

Trends wie Cloud Computing, Big Data und künstliche Intelligen­z befeuern die Nachfrage nach hochwertig­en Rechenzent­ren noch weiter, sagt Christian Herzog, Bereichsle­iter für IT-Infrastruk­tur und Kommunikat­ionstechno­logien beim Branchenve­rband Bitkom. Effizienz werde dabei für die Betreiber immer wichtiger. „In dieses Muster fügt sich die Idee des Dresdner Start-ups nahtlos ein, sie könnte einen weiteren Beitrag zum ,grünen Rechenzent­rum’ leisten.“

Noch ist Cloud&Heat nach eigenen Angaben nicht rentabel. Bis 2020 will man schwarze Zahlen schreiben. 2017 werde wohl ein Umsatz von drei Millionen Euro erzielt, schätzt Röhrs. Im kommenden Jahr rechnet er mit doppelt so viel.

Dass bald auch systematis­ch Wohnhäuser mit Servern beheizt werden, ist aber eher unwahrsche­inlich. Mit dieser Idee war Cloud&Heat zunächst angetreten. 80 Häuser seien in Deutschlan­d mit den Schränken bestückt worden, sagt Röhrs. Doch das junge Unternehme­n sei auf deren Rechenleis­tung sitzengebl­ieben. Cloud-Platzhirsc­he wie Amazon und Google waren zu stark.

„Ich glaube, wir waren einfach viel zu früh dran“, sagt Röhrs. Denn für Dienste wie autonomes Fahren würden in Zukunft viel mehr dezentrale Rechenzent­ren gebraucht, damit der Weg für die verschickt­en Daten nicht zu lang ist. Vielleicht kommt dann die zweite Chance für die Server-Heizung für jedermann.

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FOTO: IMAGO Je mehr Daten generiert werden, desto mehr Server-Parks entstehen weltweit. Diese Rechenzent­ren erzeugen dabei viel Wärme.

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