Rheinische Post Emmerich-Rees

Überall Kunst

- VON LOTHAR SCHRÖDER

28 Museen gibt es in Münster. Und dazu noch die „Skulptur Projekte 2017“. Eine Erlebnisre­ise mit Bratwurst.

MÜNSTER Die Tour durch Münster sollte bei Anne Oetter beginnen. Wenn Anne Oetter da ist, also im Pommes-Büdchen gleich an der Klarisseng­asse. Bei Anne Oetter gibt es noch echte Bratwurst im Brötchen ohne jeden pseudokuli­narischen Firlefanz; vor allem aber: Die 58-Jährige weiß so ziemlich alles über die Museen ihrer Geburtssta­dt. Und über die aktuellen Ausstellun­gen, die Öffnungsze­iten, die entspreche­nden Buslinien und so weiter.

Weil die Klarisseng­asse aber bloß fünf Gehminuten von den Münsterark­aden entfernt ist, schickt uns Anne Oetter erst einmal dorthin. Das ist eine Einkaufspa­ssage, schon recht schmuck, aber eben doch so schmuck wie fast überall. Und eigentlich glaubt man schon, sich verirrt zu haben (in Münster!), als hinter den Rolltreppe­n eine herrliche klassizist­ische Fassade sichtbar wird und mit jedem Schritt genauere Gestalt annimmt. Später lesen wir, dass es der im 18. Jahrhunder­t erbaute Druffel’sche Hof ist. Und der beherbergt seit 17 Jahren das Picasso Museum – übrigens das einzige in Deutschlan­d. Natürlich finden sich dort nicht die zentralen Werke des vielleicht größten Künstlers des 20. Jahrhunder­ts, die in billigen Reprodukti­on in den Wartezimme­rn der Kassenärzt­e zu sehen sind. Dafür gibt es eine bedeutende Sammlung von Lithografi­en, die der Grafiker und gebürtige Westfale Gert Huizinga zusammenge­tragen hat. Das klingt ein bisschen zweitrangi­g. Doch wer einen Sinn dafür hat, Picassos zentralen Motiven wie den Kentauren in den Lithografi­en nachzuspür­en, erlebt in Münster eine Überraschu­ng.

Überhaupt ist das Museum eine Wundertüte: Die aktuelle Sonderscha­u zeigt die Kollektion des Pariser Kunsthändl­ers Yvon Lambert, und die ist ein inspiriere­nder Parforceri­tt durch die Literatur und bildende Kunst vor allem des 20. Jahrhunder­ts – mit Werken von Miquel Barceló, Anselm Kiefer, Andres Serrano und Christo. Allein dieses Haus mit seinem netten Café ist eine Münsterrei­se bedenkenlo­s wert.

Wie geht’s weiter? Am besten wieder zurück zu Anne Oetter. Und die weist jetzt den Weg in die exakt andere Richtung, ins Museum für Lackkunst, das wir ohne den Tipp nie und nimmer besucht, geschweige denn empfohlen hätten. Doch was für ein Empfang ist das: Glänzend-roter Kunststoff ergießt sich über die Freitreppe an einer imposanten Stadtvilla. Der auffällige rote Teppich trägt den Namen „Lackfluss“und lädt ein in ein Haus, das das Chemieunte­rnehmen BASF seit 1993 betreibt. Außergewöh­nlich ist dort fast alles: Nicht nur Lackkunst aus dem ostasiatis­chen Raum und der islamische­n Welt ist zu sehen, sondern auch prächtige Werke aus Europa, aus Frankreich, Belgien. Be- eindrucken­d, wie genau bis in die kleinsten Ornamente Gebrauchsg­egenstände wie Picknick- oder Kleiderkäs­ten, Schränke, Truhen, Teller mit Lackoberfl­äche gestaltet wurden. So geht man immer langsamer durch die Räume, bis man schließlic­h ins Untergesch­oss gelangt. Diplomarbe­iten von internatio­nalen Lackkünstl­ern der Gegenwart werden dort gerade ausgestell­t: virtuose Volkskunst aus Russland, Hüte und Masken aus Frankreich.

Anschließe­nd wird dann doch der Bus bemüht. Für Münsterane­r Verhältnis­se geht es ganz weit raus – in den Allwetterz­oo und dort ins wirklich originelle „Westfälisc­he Pferdemuse­um“. Reichlich desinteres­siert sind wir dort rein- und als Pferdefreu­nde rausgegang­en. Der einzige Simulator für Pferdekuts­chen steht da und tatsächlic­h auch jener leicht angespeckt­e Sattel, in dem der ver-

 ??  ?? Auf einer Tour durch Münster kommt man an ihr ständig vorbei: die Lamberti-Kirche im Zentrum der Stadt.
Auf einer Tour durch Münster kommt man an ihr ständig vorbei: die Lamberti-Kirche im Zentrum der Stadt.

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