Rheinische Post Emmerich-Rees

Zu Gast beim Alten von Rhöndorf

- VON KATRIN JANSSEN

Auf den Spuren Konrad Adenauers im Siebengebi­rge: Das Erbe des ersten Bundeskanz­lers der Bundesrepu­blik ist vielerorts noch immer sichtbar.

RHÖNDORF Inge Bott drückt die Tasten der alten Registrier­kasse. Nicht, dass sie sie bräuchte, sie addiert die Kosten für Kuchen, Plätzchen und Kaffee im Kopf. Seit 72 Jahren arbeitet sie im Café Profittlic­h am malerische­n Ziepchensp­latz in Bad Honnef-Rhöndorf. Immer freundlich, immer zuvorkomme­nd. Aber ihren vielleicht berühmtest­en Gast – und sie hat viele kommen und gehen sehen – hat die 90-Jährige nie persönlich bedient. Konrad Adenauer ließ bestellen – und bekam nach Hause geliefert. So war das damals. Aber der Name ihres Arbeitgebe­rs bleibt mit dem des Mannes, der die Bundesrepu­blik nach ihrer Gründung prägte wie kein anderer, aufs Engste verbunden. Eine Spurensuch­e in Rhöndorf.

Das Siebengebi­rge kannte das spätere Staatsober­haupt schon aus Kindertage­n, oft fuhr der Vater mit dem Sohn am Wochenende für Wanderunge­n ins Siebengebi­rge. Und auch später büxte Adenauer vor seinen Sicherheit­skräften manchmal durch das hintere Gartentor seines Rhöndorfer Hauses aus, um alleine durch die Natur zu streifen.

Aus eigenem Antrieb wäre Konrad Adenauer aber wohl nicht aus Köln ins beschaulic­he Bad Honnef gezogen – dazu zwangen die Nazis den christlich-sozialen Freidenker, als sie den damaligen Kölner Oberbürger­meister seines Amtes enthoben. Das Haus, in dem die Familie zunächst zur Miete wohnte, gibt es nicht mehr. Wohl aber das Wohnhaus, das Adenauer auf dem großzügige­n Hanggrunds­tück oberhalb des Ortes errichten ließ. Weihnachte­n 1937 zog man ein – es sollte der Familiensi­tz bis zum Tod Adenauers im Jahr 1967 bleiben.

Heute ist das Haus Gedenkstät­te. Das Wohnhaus ist unveränder­t, Teile davon und der Garten können heute besichtigt werden. Und jedes Jahr zur Weihnachts­zeit wird im Wohnzimmer des „Alten von Rhöndorf“, wie Adenauer durchaus hochachtun­gsvoll genannt wurde, die riesige Krippe aufgebaut, so wie damals, als noch die Kinder von Adenauer durch das Haus tollten. „Adenauer konnte ein sehr liebevolle­r Vater sein, aber auch ein sehr strenger“, sagt Museumspäd­agogin Claudia Waibel von der Stiftung Bundeskanz­ler-Adenauer-Haus, die die Gedenkstät­te pflegt und zu Füßen des Hauses eine Dauerausst­ellung über Leben und Wirken des Kanzlers zeigt.

Auch albern konnte er sein, wenn er zum Vergnügen der Kinder schon mal ganze, hartgekoch­te Eier über den Tisch spuckte. Oder schon lange vor Weihnachte­n erste Lamettastr­eifen im Haus verteilte, um die Vorfreude auf das Fest zu steigern. Waibel: „Er konnte aber auch sehr streng sein, einen seiner Söhne hat er eine Nacht lang im stockfinst­eren Weinkeller eingeschlo­ssen.“

So sehr er seine neue Heimat schätzte – Adenauer war in allen Rhöndorfer und auch einigen Honnefer Vereinen Mitglied –, er konnte kritisch werden, wenn ihm etwas nicht passte. Legendär ist seine Auseinande­rsetzung mit Bäckermeis­ter Peter Profittlic­h. Dieser Seilbahnkr­ieg, der sogar internatio­nal Schlagzeil­en machte, ist gut dokumentie­rt. Profittlic­h, Ortsverein­svorsitzen­der und Präsident der Rhöndorfer Sankt HubertusSc­hützengese­llschaft, wollte den Tourismus in Rhöndorf ankurbeln und von den Sommerfris­chlern profitiere­n, die den Drachenfel­s stürmten. Doch Adenauer war strikt dagegen. „Er wollte den Trubel in Rhöndorf nicht“, so Waibel. Auch habe er in der Seilbahn eine Verschande­lung der Landschaft gesehen. Nach jahrelange­m Gezerre und einer wahren Interview-Schlacht in den Zei-

Das Haus blieb bis zum Tod Adenauers

im Jahr 1967 der Familiensi­tz So sehr Adenauer seine neue Heimat schätzte, er konnte kritisch werden

tungen setzte sich der Alte durch, an die Pläne erinnert aber noch bis heute im oberen Stock des gemütliche­n Fachwerk-Cafés ein Modell. Und so muss der Besucher, der heute von Rhöndorf zur sagenumwob­enen Ruine auf dem Drachenfel­s will, zu Fuß gehen. Ein Weg, der sich schon wegen seiner tollen Ausblicke lohnt. Adenauer fand übrigens nach Profittlic­hs Tod 1963 gegenüber Spiegel-Verleger Rudolf Augstein eher sanftere Töne für den Kontrahent­en von einst: „Ach, der war sonst ne janz ordentlich­e Mann.“Seinen Wein bezog Adenauer übrigens vom Rhöndorfer Weingut Broel – und kam auch gerne selbst ins Weingut, um den einen oder anderen Tropfen zu verkosten, wie das Gästebuch belegt.

Auch in der Rhöndorfer Pfarrkirch­e Sankt Mariä Heimsuchun­g, wo der überzeugte Katholik Adenauer regelmäßig die Messe besuchte, hat er Spuren hinterlass­en. Ein Messingsch­ild bekundet seinen üblichen Sitzplatz, eine Rose im Fenster hinten rechts zeigt den Kanzler als Ehrenhäupt­ling der Indianerst­ämme von Wisconsin – das Original, das ihm 1956 bei seinem Besuch in den USA überreicht wurde, ist übrigens in der Ausstellun­g am Adenauerha­us zu sehen.

Sein letzter Weg führte Adenauer nach seinem Tod am 19. April 1967 noch einmal zurück nach Köln, wo im Dom die Trauerfeie­r stattfand. Anschließe­nd wurde der Leichnam mit dem Marineschn­ellboot Concord nach Rhöndorf überführt. Zur letzten Ruhe auf dem Rhöndorfer Waldfriedh­of, mitten in dem von ihm so geliebten Siebengebi­rge, begleitete­n ihn nur die Familie – und die Rhöndorfer Schützen. Und es ist vermutlich Ironie des Schicksals, dass Adenauer, der keinen Trubel in seinem Ort wollte, nach seinem Tod erheblich zu dessen Belebung beitrug. Bis heute kommen die Menschen, um auf den Spuren des „Alten von Rhöndorf“zu wandeln.

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FOTOS (3): FRANK HOMANN Der Drachenfel­s im Siebengebi­rge – am Fuße des Berges verbrachte der ehemalige Bundeskanz­ler Konrad Adenauer einen Großteil seines Lebens.
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FOTO: ARCHIV DER STIFTUNG BUNDESKANZ­LER-ADENAUER-HAUS Von seinem Balkon aus hatte Adenauer einen Blick auf den Drachenfel­s.

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