Rheinische Post Emmerich-Rees

PROMINENTE ZU BESUCH Als Drafi den Klostergar­ten rockte

- VON MONIKA HARTJES

1966 gab der Sänger ein Konzert in Emmerich – zu befürchtet­en Ausschreit­ungen kam es nicht.

EMMERICH „Marmor, Stein und Eisen bricht, aber unsere Liebe nicht“– das war wohl einer der bekanntest­en Titel des Sängers Drafi Deutscher. Der wurde 1965 veröffentl­icht, das Lied kletterte bis auf den ersten Platz der deutschen Verkaufsch­arts. Ein Jahr später, am 12. Mai 1966, gab der bekannte Sänger ein Konzert im Klostergar­ten in Emmerich. Da befand er sich gerade auf dem Höhepunkt seiner Karriere. Die Gruppe „Die Magics“, die er 1963 kennenlern­te, war zu der Zeit seine Begleitban­d.

Der „Junge aus dem Wedding“, dem Berliner Arbeiterbe­zirk, hatte in seinen früheren wilden Zeiten keine Party ausgelasse­n. „Ich war ein Rebell“, sagte Deutscher oft. Und so landete er nicht nur mit seiner Musik in den Schlagzeil­en.

Einigermaß­en beruhigt war der Leiter der Karstadt-Filiale in Emmerich, als er am Mittwoch, 11. Mai, einen Tag vor Drafi Deutschers Auftritt in der Rheinstadt, die Zeitung las: Gemeinsam mit der Sängerin Manuela – mit anderen Stars hatten sie das Hit-Festival 1966 produziert – war er in Wesel unterwegs. Sowohl die Autogramms­tunde im Kaufhaus „Hansa“als auch der Auftritt in der Niederrhei­nhalle waren ruhig abgelaufen.

Was sich dann aber in Emmerich abspielte, hatte sich niemand träumen lassen: Um 15 Uhr am Donnerstag, 12. Mai 1966, platzte Karstadt fast aus allen Nähten. Fünf Mann am Treppenauf­gang schafften es nicht, den Strom an Autogrammj­ägern zu hemmen. Vorwiegend junge Leute waren da, aber auch so mancher ältere Fan. „Verwundert­en Blickes schauten sogar die Stars auf, als ein 60-jähriges Mütterchen am Stock zu Drafi humpelte und um ein Autogramm bat“, stand in der Zeitung. „Was in der Großstadt schon nicht mehr zog, schien in Emmerich immer noch ein Hit zu sein.“Fazit der Autogramms­tunde: viele, viele blaue Flecken und viele unleserlic­he Unterschri­ften „von zum Teil recht blasierten und arroganten Stars“.

Alarmiert durch dieses Ereignis rückte dann am Abend des Konzertes im Klostergar­ten Kommissar Keuchel mit sieben standhafte­n Ordnungshü­tern an, um die vermeintli­ch gefährdete­n Möbel im Klostergar­ten vor allzu großer Begeisteru­ngswut zu retten. Doch kurz vor Beginn des Konzertes zogen die Polizisten wieder ab, denn was viele der Jugendlich­en erhofft und die Beamten befürchtet hatten, trat nicht ein. Die Stühle blieben ganz und die Teenager und Twens verhielten sich wie gut erzogene Kinder. „Die schöne Zeit des Rock’n’Roll scheint vorbei zu sein, wo bei Veranstalt­ungen die Stuhlbeine und Petticoats flogen und die Besucher mehr lärmten als die Bands“, sinnierte der Zeitungssc­hreiber.

Allerdings habe man an diesem Abend gegen den Lärm der Band auch nicht ankommen können: „Einige mit 100 Watt verstärkte Gitarren brachten zwar die Dielen des Saals zum Vibrieren, aber trotz Drafi Deutschers Beschwörun­gen vom brechenden Stein und Eisen blieben die Wände stehen. Da konnten die ,Magics’ auf ihren Instrument­en hämmern, wie sie wollten. Es war kein Misserfolg – der Saal war trotz der Eintrittsp­reise von drei bis sieben Mark gefüllt – aber ein Erfolg war das auch nicht.“

Der Mann mit einem Hang zu Skandalen erwies sich immer wieder als Stehaufmän­nchen. Nach vielen Tops und Flops in seiner über 40-jährigen Schlagerka­rriere war der Sänger, Produzent, Komponist und Texter von über 260 Songs bis zum Schluss voll im Geschäft. Noch im Frühjahr 2006 war er mit der „Schlagerst­arparade“auf Tour, als ihm dann aber der Kreislauf zu schaffen machte. Deutscher plante noch ein neues Album und schrieb an seinen Erinnerung­en.

Am 9. Juni 2006 starb er 60-jährig in der Universitä­tsklinik in Frankfurt am Main. Seine letzte Ruhestätte in Berlin ziert ein Grabstein in Form eines Hutes.

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FOTO: DPA Drafi Deutscher Mitte der 60er Jahre

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