Mareike Krügels charmanter Trip durch den Alltag
Katharina hat etwas entdeckt in ihrer Brust. Nun glaubt die Hauptfigur in Mareike Krügels Roman „Sieh mich an“, dass sie nicht mehr lange zu leben hat. Ein Wochenende lang möchte sie nur noch die Normalität genießen, ohne, dass ihre Familie und Freunde etwas wissen. Katharina weiß, wie es ist, die eigene Mutter zu verlieren. Das ist ihr vor 20 Jahren selbst passiert. Zwar ist noch nicht klar, ob das, was sie in ihrer Brust ertastet hat, gut- oder bösartig ist. Angst hat sie trotzdem.
Die 1977 in Kiel geborene und jetzt bei Schleswig lebende Autorin Mareike Krügel erzählt in ihrem vierten Roman aus dem Leben einer Ehefrau und Mutter – einen Tag lang. Er startet mit dem Abholen der Tochter am Freitagvormittag vor Unterrichtsende aus der Schule. Die stark pubertierende Jugendliche hat Nasenbluten. Das kann sie je nach Befinden auf Knopfdruck oder besser gesagt auf Nasendruck herbeizaubern. Es folgt ein chaotischer Tag, gespickt mit Alltäglichem: Katharina überlegt erst, was sie kochen könnte, und sucht dann nach einem verlorengegangenen Daumen. Und dann ist da noch der ersehnte Besuch ihres Studienfreundes. Dieser jedoch wird überlagert von den Gedanken an den möglichen Brustkrebs (den sie nie beim Namen nennt) und von den Problemen mit ihrem Mann. Er arbeitet in Berlin, ist nur am Wochenende bei seiner Frau und den zwei Kindern an der Ostsee. Die Beziehung leidet.
Katharina kann das wortgewandt und analytisch beschreiben. Auch ihre Position als Mutter in der Familie bringt sie auf den Punkt: „Manchmal denke ich, ich bin eine Art Spinne im Netz, dessen Fäden zu all den Leuten reichen, die ihr wichtig sind. Sobald sich einer von ihnen bewegt, zittert oder ruckt der Faden, und ich zittere oder rucke mit.“
Krügels Heldin kann aber nicht nur gut beschreiben – schließlich ist sie eine gute Beobachterin. Sie ist auch noch sehr witzig und charmant. Immer wieder erinnert sie sich an Vergangenes, reflektiert und scheint ihr Leben unter die Lupe zu nehmen.
Mit Blick auf die mögliche Krankheit fragt sie sich schließlich, ob wirklich alles so gelaufen ist, wie sie es sich vorgestellt hat.
Auf 255 Seiten ist Krügels Roman ein rasanter Trip durch Katharinas Freitag. Einziges Manko: Er beginnt nicht ganz so überzeugend. Schleppend lesen sich die ersten 30 Seiten. Das Ende ist dann eine Mischung aus Überraschung und logischer Konsequenz des Handlungsverlaufs. Und das überzeugt.
Was am Ende bleibt, ist diese Lese-Erfahrung: Mareike Krügel hat einen überaus kurzweiligen und trotz des Brustkrebs-Themas auch witzigen Roman über das Leben, die Liebe und Familie geschrieben, der sich gut als Urlaubslektüre eignet.