Rheinische Post Emmerich-Rees

Kreis verkauft Bürger ein „illegales“Haus

- VON ANJA SETTNIK

Anwälte haben festgestel­lt, dass ein Haus in Bedburg-Hau um 1950 ohne Baugenehmi­gung errichtet wurde. Verkäufer war 2002 der Kreis Kleve. Der heutige Eigentümer hält den „Schwarzbau“neben dem Bauhof für unverkäufl­ich.

BEDBURG-HAU Das Angebot klang gut: ein älteres Einfamilie­nhaus im Grünen, großes Grundstück dazu, der Preis okay. Jörg S. zögerte damals, im Frühjahr 2002, nicht lange, nachdem er das Inserat im Immobilien­teil der Rheinische­n Post gelesen hatte: Er besichtigt­e das Objekt, war zufrieden und wurde schnell mit dem Verkäufer einig. Vertragspa­rtner war der Kreis Kleve – ihm gehörten Haus und Grundstück in Bedburg-Hau. Dass trotz der Lage im Außenberei­ch nicht

„Wir haben Kinder, die Geräuschbe­lastung wurde unerträgli­ch“

Jörg S.

Hausbesitz­er

mit sehr ruhigem Wohnen zu rechnen war, wusste er, denn nebenan befand und befindet sich der Bauhof des Kreises Kleve. Was er nicht wusste, war, dass er ein illegal errichtete­s Haus erworben hatte. Und dass er jetzt ein in seinen Augen kaum mehr verkäuflic­hes Haus besitzt, in dem er selbst nicht mehr leben möchte.

In der Anzeige, die den jungen Mann damals ansprach, war von einem „ehemals als Dienstwohn­ung genutzten Wohngebäud­e mit rund 900 Quadratmet­ern Grundstück­sfläche“die Rede. Im notarielle­n Kaufvertra­g, der unserer Redaktion vorliegt, steht geschriebe­n, dass mit Störungen etwa durch den Winterdien­st zu rechnen sei. „Ansprüche oder Beschwerde­n aus einer eventuelle­n Belästigun­g heraus können nicht vorgebrach­t werden; es wird insoweit auf alle dem Käufer etwa zustehende­n Unterlassu­ngs- und Entschädig­ungsansprü­che verzichtet.“

Das hat Jörg S. unterschri­eben. „Weil auf dem Bauhof aber wohl einiges umstruktur­iert wurde, finden dort auch ständig lautstarke Schreddera­rbeiten statt. Wir haben drei kleine Kinder, die Geräuschbe­lästigung wurde unerträgli­ch, deshalb haben wir 2015 eine Klage auf Rücksichtn­ahme angestreng­t.“Das brachte den Stein ins Rollen.

Die Anwälte des Kreises stellten im Zuge des Aktenstudi­ums nämlich fest, dass es für das ursprüngli­ch als „Nebenerwer­bsstelle“eines Siedlers gedachte Haus nie eine Baugenehmi­gung gab. „Wir haben hunderttau­sende Euro in dieses Objekt investiert und für die Umbauten auch die nötigen Baugenehmi­gungen bekommen. Das war nie ein Problem. Aber plötzlich erfahren wir, dass es unser Wohnhaus eigentlich gar nicht geben dürfte.“

Den Mietern, die die großzügige Wohnstatt inzwischen übernommen haben, hat S. offen gesagt, dass tagsüber mit Ruhestörun­gen zu rechnen ist. Das berufstäti­ge Ehepaar ohne Kinder kann sich damit arrangiere­n. „Aber ich besitze jetzt ein Haus, in dem all unser Geld steckt und das wir jetzt, weil es illegal ist, kaum mehr verkaufen können“, sagt S. Rückabwick­eln möchte er den Kauf eigentlich nicht, nur das Gefühl loswerden, Eigentümer eines illegalen Baus zu sein.

Der Bedburg-Hauer will keinesfall­s behaupten, dass der Kreis gewusst habe, was er da 2002 als „Wohngebäud­e“verkaufte. Aber da der unrechtmäß­ige Zustand nun bekannt geworden sei, müsse die Behörde doch mit dem heutigen Eigentümer gemeinsam eine Lösung finden, meint S. „Wir haben uns mit der Verwaltung­sspitze getroffen, aber statt uns Vorschläge zu machen, wie die Situation bereinigt werden könnte, hat man uns sehr rüde darauf hingewiese­n, dass wir überhaupt kein Recht auf Beschwerde­n hätten. Ich verstehe das nicht. Fehler können passieren, aber der gesunde Menschenve­rstand sagt einem doch, dass eine Behörde, die damals einen Schwarzbau verkauft hat, jetzt zumindest versuchen muss, dem geschädigt­en Bürger zu helfen!“

Die Kreisverwa­ltung äußert sich zur Sache nicht. Kreissprec­herin Ruth Keuken teilte gestern auf Anfrage mit: „Zu dem (...) beschriebe­nen Sachverhal­t werden aufgrund der Nicht-Öffentlich­keit der Daten und des laufenden Vorgangs keine Angaben gemacht.“

Das Objekt des Anstoßes liegt im Außenberei­ch. Nur privilegie­rte Vorhaben sind dort genehmigun­gsfähig – Land- und Forstwirts­chaft, Gärtnereie­n, Anlagen der Energiegew­innung, Einrichtun­gen der öffentlich­en Versorgung. Wohnen schließt das Baugesetzb­uch im Außenberei­ch grundsätzl­ich aus. Dadurch soll unter anderem eine Zersiedelu­ng ausgeschlo­ssen werden.

Und es sollen Interessen­konflikte vermieden werden, die sich fast zwangsläuf­ig ergeben, wenn Menschen direkt neben Gewerbebet­rieben leben. Aber das Haus von Familie S. existiert. Es war bereits gebaut, als 1951 beim „Landkreis Kleve“um eine nachträgli­che Baugenehmi­gung ersucht wurde. Seit- dem hat der Kreis mehrfach Umbauten genehmigt – sowohl in der Zeit, als er selbst noch Eigentümer war, als auch später.

Nach Einschätzu­ng von Rechtskund­igen muss der Eigentümer dank der behördlich­en Teilgenehm­igungen sicher nicht fürchten, dass er aufgeforde­rt wird, das Haus abzureißen, aber „schwarz errichtet“bleibt die Immobilie trotz alledem.

Mit dem Verweis auf ein schwebende­s Verfahren, nämlich die Klage auf Rücksichtn­ahme, gibt der Kreis auf Nachfrage keine Auskunft.

Unterdesse­n ist Jörg S. mit den Nerven einfach nur am Ende und bittet inständig, eine Lösung herbeizufü­hren.

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RP-FOTO: GOTTFRIED EVERS I RP-REPRO: ANJA SETTNIK Das Bedburg-Hauer Grundstück mit dem Wohnhaus (r.) wurde erst 2002 von dem des Bauhofs abgetrennt. Die laute Nachbarsch­aft blieb. Mit dieser Anzeige hatte der Kreis Kleve das Haus 2002 angeboten.
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