Rheinische Post Emmerich-Rees

Ein „Western“als Anthropolo­giestudie

- VON SABINE GLAUBITZ

(dpa) Eine Gruppe deutscher Bauarbeite­r ist unterwegs zu einer Auslandsba­ustelle in Bulgarien. Sie sollen dort ein Wasserkraf­twerk bauen. Doch es verläuft nicht alles nach Plan: Der Kies-Nachschub bleibt aus und das Wasser wird knapp. Das Warten wird lang und die Konflikte mit der Dorfbevölk­erung häufen sich. In „Western“beschreibt Valeska Grisebach das Aufeinande­rprallen unterschie­dlicher Kulturen und Individuen.

Der komplexe und dichte Film wurde beim Filmfestiv­al Cannes in der renommiert­en Nebenreihe „Un Certain Regard“zurecht gefeiert. Mit ihrem dritten Langfilm zeichnet die deutsche Regisseuri­n ein Drama, bei dem es um Identität, Fremde und Dominanz geht. Dabei gibt sie sich als genaue und aufmerksam­e Beobachter­in zu erkennen und als Erzählerin, die den zwischenme­nschlichen Umgang und die konfliktge­ladenen Stimmungen meisterhaf­t in Szene setzt.

Den Film hat Grisebach nach dem Genre benannt, mit dem sie selbst groß geworden ist. Sie habe Lust auf einen Western gehabt, denn er behandle Themen, die sie interessie­ren. Und dazu gehöre die Frage, wie sich Gesellscha­ften bilden, welche Gesetze in ihnen gelten, die des Stärkeren oder die der Empathie.

Das Bild der Deutschen, das sie zeichnet, ist nicht wirklich positiv: Die Männer geben sich erhaben, halten sich für klüger und stärker. Und das fängt damit an, dass sie die deutsche Fahne hissen. Sie trinken und bedrängen die jungen Frauen vom Nachbarort. Die bulgarisch­en Männer beobachten das Verhalten mit zunehmende­m Misstrauen.

Konflikte bahnen sich an. Vor allem zwischen den beiden Kulturen und zwischen dem machohafte­n Vorarbeite­r Vincent und dem stillen Meinhard, der sich von der Bauerarbei­tergruppe isoliert und Anschluss im Dorf sucht. Dennoch ist das Drama weit davon entfernt, ein Western zu sein. Vielmehr gleicht „Western“einer anthropolo­gischen Studie, in der sich die Regisseuri­n intensiv mit dem Wesen des Menschen auseinande­rsetzt. Western, Deutschlan­d, Bulgarien, 2017, Regie: Valeska Grisebach, mit Meinhard Neumann, Reinhardt Wetrek, Vyara Borisova, 121 Min.

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