Von Kay Müller
Das Kreuz um den Hals, das Kreuz bei der Union: So halten das noch viele im Oldenburger Münsterland. Was macht die Modernisierung der Partei mit ihren Wählern?
auch, dass „der Letzte in der Union die Tür hier in Cloppenburg und Vechta zuschlagen wird. Dennoch wählen schon jetzt viele die CDU nicht mehr, weil sie sich immer weiter von ihren Werten entfernt: Für die einen war der Grund der Umgang mit der Finanzkrise, für andere die Flüchtlingswelle, für die nächsten die Homo-Ehe“, sagt Lessel. Allerdings könne die AfD davon nur zum Teil profitieren. „Es ist leichter für uns, in rote Hochburgen einzubrechen.“Normalerweise sei es ein Vorteil für die AfD, wenn in einer Region der Begriff Heimat etwas zähle. „Hier hilft uns das nicht, weil die Heimatvereine alle mit der CDU verwoben sind“, sagt der Katholik.
Katholisch ist auch Werner Münch – und wie. In den 90ern war er ein paar Jahre lang Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, hat aber 32 Jahre im Oldenburger Münsterland gelebt. „Ich bin letztlich nach 37 Jahren aus der CDU ausgetreten, weil sie in einer Pressekonferenz Papst Benedikt XVI. gedemütigt hat.“Sie – das ist Angela Merkel. Münch ist jetzt seit acht Jahren parteilos. „Es gibt viele wie mich, die keine politische Heimat mehr haben.“Immer wieder bekomme er Anrufe oder E-Mails, in denen sich Menschen an ihn wenden und fragen: „Was soll ich armer, verlassener, christlicher Konservativer nun machen?“Münch schnauft dann durch und antwortet: „Nimm’ von den schlechtesten die beste Lösung und geh’ wählen.“Auch das ist vielleicht ein Grund, warum im Oldenburger Münsterland so viele an der CDU festhalten: Sie glauben trotz mancher Kritik an der Union, keine Alternative zu haben.
Die Region ist das Paradebeispiel eines katholischen Milieus. Zwei Drittel der Bevölkerung in den Kreisen Cloppenburg und Vechta sind katholisch, mitten im stark protes- tantisch geprägten Niedersachsen. Spätestens seit 1848 bildete sich im Oldenburger Münsterland eine spezifische Gemeinschaft heraus, die die Kirche weltanschaulich und bisweilen auch politisch auflud. In einem dichten Gewebe aus katholischen Vereinsstrukturen, Netzwerken, gemeinsamen Erzählungen, Gottesdiensten und Glaubensbekenntnissen fanden die Menschen Halt. Ein bisschen ist das bis heute so, wie man in Löningen beim Wahlkampfauftakt der CDU sehen kann. „Ich bin auch bei den Kolpingbrüdern organisiert“, sagt der ältere Mann, der nun zum CDU-Stand ge- gangen ist. „Schon sechs Kilometer von hier, da ist die Mehrheit protestantisch. Und irgendwie sind die Menschen da auch anders“, sagt er. Wie anders? Seine Frau sagt: „Manche nennen uns stur.“Ihr Mann sagt: „Ich nenne das prinzipientreu.“
Solche Leute mag Stephan Siemer. Gerade auf dem Land habe das Vereinswesen noch eine große Bedeutung, sagt der Landtagsabgeordnete. Die Union profitiere von der Heimatverbundenheit der Leute. Dazu sei die Arbeitslosenquote niedrig, die Verdienstmöglichkeiten gut. Routiniert rattert Siemer herunter, dass in seinem Wahlkreis 80 Prozent der Menschen Wohnungseigentümer seien. Die höchste Geburtenrate der Republik mache die Region zu einer der jüngsten Deutschlands.
Jung, das will auch die Junge Union sein. Ein paar Aktive stehen beim Wahlkampfauftakt auf dem Marktplatz am Bierpilz. Warum die CDU so erfolgreich ist? Ein junger Mann mit schicker Brille sagt: „Ich kenne keinen Jugendlichen, der nicht mindestens in drei Vereinen ist – egal ob Schützen-, Sport- oder Heimatverein.“Das Christliche sei nicht mehr wichtig, entscheidender sei, dass man dort entscheidende Leute treffe. „In den Vereinen ist auch immer einer von der CDU. Und wenn du ein Problem hast, dann weiß der, wie man es lösen kann – oder zumindest kennt er einen, der dir weiterhelfen kann.“
Silvia Breher will genau so jemand sein. Dass sie gut vernetzt ist, sei vielleicht ein Grund dafür gewesen, dass sie aufgestellt worden ist. In den Vereinen laufen viele Fäden zusammen, überkreuzen sich und stärken so die Bande der Menschen untereinander.
Breher ist ein Kind der Verbände und Vereine, sie prägt das Milieu, modernisiert es aber weiter. Seit neun Jahren ist sie Vorsitzende des Kreisreiterverbandes, arbeitet als Geschäftsführerin beim Landvolk. Und in der CDU sei sie „eigentlich schon immer“gewesen: „Schon mein Opa war CDU-affin.“Und natürlich ist sie katholisch und gehe auch in die Kirche.
Breher zeigt ihr goldenes Kreuz, das sie um den Hals trägt. Jemand aus der Partei habe ihr beim Shooting der Fotos für die Wahlplakate geraten, es doch abzulegen. Das komme besser rüber. Breher hat sich geweigert.
Das Kreuz um den Hals, das Kreuz bei der Union. So halten das immer noch viele im Oldenburger Münsterland.