Rheinische Post Emmerich-Rees

Sahin bringt Dortmund nach vorn

- VON ROBERT PETERS

Der Mittelfeld­spieler ist die zentrale Figur beim 2:0 gegen Hertha BSC. Er bereitet ein Tor vor, das zweite schießt er selbst.

DORTMUND Bislang war die Geschichte von Nuri Sahin und seinem rechten Fuß schnell erzählt. Der Mittelfeld­spieler von Borussia Dortmund braucht ihn, damit er das Gleichgewi­cht halten kann. Und er nimmt ihn gelegentli­ch zu Hilfe, wenn es um einen einfachen Pass, das Stoppen des Balls oder eine Rettungsak­tion geht. Für die schwierige­ren Dinge hat er seinen linken Fuß. Dem vertraut er die weiten Pässe, die Flanken, die Freistoß-Ausführung, die Torschüsse an. Normalerwe­ise. Am Samstag wurde dieser Teil der Fußball-Geschichte neu geschriebe­n. Da schmettert­e er den Ball mit rechts per Dropkick zu einem Tor des Monats ins Netz von Hertha BSC. Und nicht nur sein Trainer Peter Bosz staunte. „Wenn er schon mit rechts trifft, dann hat er Selbstbewu­sstsein“, sagte der Holländer.

Davon konnten sich gut 80.000 Fans im ehemaligen Westfalens­tadion überzeugen. Sahin war, was frühere Sachverstä­ndige der Sportsprac­he den „Dreh- und Angelpunkt“des Dortmunder Spiels genannt hätten. Er legte Pierre-Emerick Aubameyang den Ball zur 1:0Führung auf, und er erzielte mit seinem gewaltigen Schuss den Treffer zum 2:0-Endstand. Zwischendu­rch organisier­te er die Aktionen seiner Mannschaft, über ihn lief alles.

Das war auch so geplant. „Er war unser Mann“, sagte Bosz. Der Coach wollte, dass Sahin im zentralen Mittelfeld alle Freiheiten zur Entfaltung seiner großen Spielintel­ligenz bekommt. Deshalb sollten ihn die Mitspieler suchen, und deshalb legte Bosz die Taktik rundherum auf Tempo an. Mit dem sogenannte­n Gegenpress­ing, der nahezu unverzügli­chen Rückerober­ung des Balls nach Fehlpässen, war er „zufrieden, mit dem Ergebnis auch, mit unserem Ballbesitz­spiel noch nicht“.

Es ging ihm einfach nicht schnell genug, während Publikum und zahlreiche Experten bereits die ersten Lobeshymne­n über die gelungene Umsetzung des „Bosz-Styles“an- stimmten. „Es ist nicht der BoszStyle“, knurrte der Niederländ­er, „es soll der Style von Borussia Dortmund sein. Dafür müssen wir mehr Tempo mit dem Ball haben.“Eine Forderung, die sich aus der Grundhaltu­ng der meisten Gegner in Dortmund ergibt. Auch Hertha baute ein massives Defensiv-Bollwerk auf, das Dortmund vor allem in der ersten Hälfte nur selten anbohren konnte. Da waren dem Trainer die Kombinatio­ns-Ansätze zu langsam. „Das kann besser“, stellte er mit holländisc­hem Idiom fest.

Dass es besser kann, zeigten Passagen des zweiten Durchgangs, als Gonzalo Castro und Mario Götze an Sahins Seite mehr und schneller liefen. Das ergab Räume, die wieder- um Sahin mit seinen Pässen füllte. Dass er selbst nicht zu den Sprintern gehört, fiel nicht ins Gewicht. Er machte den Ball schnell.

Das sind Qualitäten, die ihn als einstiges Wunderkind, das mit 16 in die Bundesliga kam, schon auszeichne­ten. Sie schienen allerdings zuletzt nicht mehr sonderlich gefragt. Bosz’ Vorgänger Thomas Tu- chel stellte den in der Mannschaft sehr beliebten Türken aufs Abstellgle­is. Er demütigte ihn beim Pokalfinal­e, als Sahin nicht mal ins Aufgebot berufen wurde, obwohl er in den Wochen davor gute Form nachgewies­en hatte.

Für Sahin war im Sommer „ein Punkt in meiner Karriere erreicht, an dem es darauf ankommt. Ich bin bald 29, ich will nicht der Beste oder der Wichtigste sein. Ich muss nur das Gefühl haben, dass ich gebraucht werde“. Dieses Gefühl gaben ihm die Vereinsfun­ktionäre und der neue Trainer. Nur darum blieb Sahin. Sein Sommerprog­ramm: „Arbeiten, arbeiten, arbeiten – und dann genießen. Denn ich merke, dass ich mein Niveau wieder erreicht habe.“Man muss sich Nuri Sahin heute als glückliche­n Menschen vorstellen.

Freibriefe werden ihm allerdings nicht ausgestell­t. Ob er weiter diese Rolle spielen werde, wurde Bosz gefragt. „Das“, sagte der neue Coach ohne falsche Rührung, „hängt davon ab, wie er spielt und welche Spieler ich zur Verfügung habe.“Demnächst kommt Julian Weigl zurück, der sicher ein ernsthafte­r Mitbewerbe­r um die Position des freien Mittelfeld­mannes auf der sogenannte­n Sechs ist. Zumindest vorerst gilt aber das Wort des Trainers: „Momentan sind wir sehr zufrieden mit Nuri Sahin.“Momentan, hat er gesagt.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany