Rheinische Post Emmerich-Rees

Peter Handke kann auch zeichnen

- VON IRMGARD BERNRIEDER

In Berlin sind erstmals Zeichnunge­n des Schriftste­llers zu sehen.

BERLIN Dass Peter Handke ein großartige­r Zeichner ist, wusste man aus den Notizbüche­rn, die bisher veröffentl­icht wurden. Da skizzierte er Alltäglich­es, das ihm auf seinen Wanderunge­n in seiner „Niemandsbu­cht“begegnete, dem weiteren Umfeld seines abgelegene­n Domizils in der Nähe von Paris. Nun werden Handkes Zeichnunge­n erstmals ausgestell­t, und zwar ganz ohne Texte. Sie sind in dieser Woche in der Galerie Klaus-Gerrit Friese am Berliner Fasanenpla­tz zu erleben.

Wie Novalis strebt Peter Handkes Utopie nach der Poetisieru­ng der Welt, aber er überschrei­tet die Aufklärung im Schultersc­hluss mit Vorgängern wie dem konservati­ven Adalbert Stifter. Sein Programm: „das Erzählen von Vorgängen, friedliche­n, die schon das Ganze und insgesamt am Ende vielleicht das Ereignis wären“. Handke hat verstehen gelernt, dass man nicht weiß, was man tut. Wie sein Held im Roman „Mein Jahr Niemandsbu­cht“schöpft er aus dem Nichts. Ein Hilfsmitte­l ist sein Merkheft, das er wie ein Schmetterl­ingsnetz benutzt, um am Ende seines Umherschwe­ifens anschauen zu können, was ihm widerfuhr.

Es ist ungewohnt, Handkes Zeichnunge­n erstmals aus dem Zusammenha­ng der Notizbüche­r gerissen zu sehen, so eingezäunt von Bilderrahm­en. Hier ein zappelnder Gedankenbl­itz, dort ein Ding, hinter dem das Unbedingte hervorlugt. Mag der Autor in seiner Anschauung der Welt das einzig richtige Wort für ein Ding, einen Farbton oder ein Aroma dieser unendlich vielfältig­en Welt erhascht haben, so beschnüffe­lt und befingert er es beim Zeichnen noch einmal wie die Pilze in seinem Korb.

An dem Punkt, an dem das Wort nicht hinreicht, verwandelt der schreibend­e Stift sich unversehen­s in einen Zeichensti­ft, der in Tiefen vordringt wie selten Wörter. Hin und wieder wird der Stift ihm zum Skalpell, das Dinge Schnitt um Schnitt häutet, um einen sehr dunklen Kern freizulege­n. Dann wieder bezaubern die Zeichnunge­n in der Größe von Heiligenbi­ldchen oder Illuminati­onen durch ihre unmittelba­re figürliche Naivität.

Über Zeichnunge­n hat Handke schon früh nachgedach­t. So in „Der kurze Brief zum langen Abschied“(1976) und in „Linkshändi­ge Frau“(1976). In dem Buch „Vor der Baumschatt­enwand nachts“wurde erstmals eine Reihe von Zeichnunge­n publiziert, die Handke eigenhändi­g aus seinen Heften ausgeschni­tten und auf DIN-A-4-Bögen geklebt und beschrifte­t hatte.

Weitere gesellten sich hinzu, so dass in der Galerie nun mehr als 100 Zeichnunge­n aus den vergangene­n zehn Jahren zu bestaunen sind. Info Galerie Klaus-Gerrit Friese, Berlin, Meier-Otto-Straße 1; bis 2. September

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FOTO: GALERIE FRIESE „Pappel am Sommernach­mittag“heißt diese Zeichnung.

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