Der Weg zurück in ein suchtfreies Leben
Markus Beck hat Anfang 2016 die Reeser Ortsgruppe des Freundeskreises Suchtkrankenhilfe gegründet. Der ehemalige Alkoholiker ruft alle Betroffenen dazu auf, sich helfen zu lassen.
REES (rau) Zurechtweisung vom Boss? Geselliger Abend mit den Nachbarn? Ärger mit der Familie? „Ein Alkoholabhängiger findet immer einen Grund zum Trinken“, sagt Markus Beck. Er weiß, wovon er spricht. Der Reeser hing selbst jahrelang an der Flasche. Seit vier Jahren ist er trocken. „Das war kein einfacher Weg, aber das Leben wird schön“, macht er Mut. Und seine Frau Esther nickt.
Seine Sucht-Geschichte fängt – wie die vieler anderer – ganz harmlos an. Beck ist ein geselliger Typ, trinkt gerne ei- nen mit. Als Außendienstmitarbeiter ist er zudem viel in Hotels, sitzt, um nicht allein im Zimmer rumzuhängen, häufig an der Bar. Irgendwann hat sich der Konsum so in seinen Alltag geschlichen, dass er täglich trinkt. Im letzten halben Jahr sogar tagsüber. „Ich wusste, dass mir und auch meiner Familie das nicht gut tut“, ist ihm bewusst. Und er beschließt: „Morgen höre ich auf!“Am folgenden Tag sagt er sich erneut, dass am Folgetag nun endgültig Schuss sein soll. So geht das Tag für Tag. „Ich hatte nicht den Mumm, was zu ändern“, sagt er. Seine Frau leidet. Es gibt Streit – und den immer häufiger.
Im April 2013 ist Esther Beck am Ende. Ihr ist bewusst, dass es so nicht weitergehen kann. Sie spricht mit den Söhnen, sagt ihnen, dass man sich notfalls von Ehemann und Vater trennen muss, falls er weiter trinkt. Sie ruft Becks Eltern an, weiht sie ein und bittet diese, vorbeizukommen. Esther Beck hält noch heute, in Erinnerung an den furchtbaren Streit, der an diesem Abend entbrennt, schützend die Hände vors Gesicht.
Die „Pistole auf der Brust“, wie Esther Beck diese Aktion nennt, wirkt. Ihr Mann hört auf zu trinken. Drei Wochen später hat er ein Meeting am Tegernsee. „Ich wusste, dass er
dort wieder trinkt“, war Esther Beck sich sicher. Und sollte Recht behalten. Aber ihr Mann kriegt doch noch die Kurve – Entgiftung, Selbsthilfegruppe. Das endgültig letzte Glas Rotwein trinkt er am 6. September 2013. Seine Frau hat seither auch keinen Alkohol mehr angerührt. Sie weiß, wie wichtig das ist. „Denn auch ein trockener Alkoholiker hat ein Suchtgedächtnis“, sagt Beck. Rote Blutstropfen im Waschbecken nach einer Verletzung erinnern ihn noch heute an die Neige Rotwein, die er in Hotels oft weggekippt hat.
Er weiß auch: „Man kann einen Alkoholiker nicht trocken legen. Es muss bei einem selbst ,klick’ machen.“Er hat, um endgültig von der Sucht loszukommen, viele „alte Zöpfe abschneiden“müssen. „Beispielsweise Kontakte zu Leuten aufgekündigt, die mir nicht gut tun“, erklärt er. „Wenn ein Freund zu mir sagt ,Einen einzigen kannst du doch wohl mittrinken!’, dann ist das nicht mein Freund!“, sagt der ehemalige Vorsitzende des TV Rees. Klar, dass er sich auch von den Vereinskollegen distanziert, die ihn dazu drängen wollen, beim Sommerfest 2014 hinter der Theke den Zapfhahn zu bedienen.
Weil ihm der Freundeskreis für Suchtkrankenhilfe den Weg zurück ins Leben geebnet hat, gründet er Anfang 2016 die Reeser Ortsgruppe. Zu Spitzenzeiten kamen zehn Leute, heute sind es sechs. „Dabei ist das Suchtproblem ein großes, es gibt eine hohe Dunkelziffer – auch in Rees“, ist Beck überzeugt. Und will über die Presse noch mal die Werbetrommel drehen. „Denn der Weg zurück ins Leben lohnt!“Weil für das Trockenwerden auch ganz wichtig ist, Angehörige miteinzubeziehen, sind diese bei den Treffen mehr als willkommen. Vielfach sind die Partner der Suchtkranken nämlich Co-Abhängige. Wie Esther Beck auch, die zwar nie alkoholabhängig, aber durch die Sucht des Ehemannes lange von Panikattacken geplagt war, weil sie seinen möglichen Rückfall befürchtete. Übrigens: Die Co-Abhängigkeit beginnt schon damit, dass man den Betroffenen auf der Arbeit entschuldigt oder ihm das Suchtmittel besorgt.
Markus Beck hat nicht nur aufgehört zu trinken, er hat auch einen Schutzwall um sich errichtet – indem er bewusst offen mit seiner Suchtkarriere umgeht.