Rheinische Post Emmerich-Rees

„Irma“bringt Tod und Zerstörung

- VON MARKUS PLÜM

Auf einigen Karibik-Inseln steht kein Stein mehr auf dem anderen. Nach Hurrikan „Irma“ist der Schaden so groß, dass sie als unbewohnba­r gelten. Nun nimmt der schwerste Atlantik-Sturm aller Zeiten Kurs auf Haiti und Florida.

SAN JUAN Die Siedlung an der Küste gleicht einem Trümmerfel­d. Holzplatte­n, Dachteile und Haushaltsg­egenstände liegen im weiten Umkreis verstreut, an den Bäumen hängt kein einziges Blatt mehr. Erst aus der Luft wird das ganze Ausmaß der Zerstörung auf Barbuda klar.

Nicht nur dort, sondern in der ganzen Karibik hat der Hurrikan „Irma“schwere Verwüstung­en angerichte­t und mehrere Menschen das Leben gekostet. Die Schäden auf den Inseln Barbuda, Anguilla und Saint Martin wurden als katastroph­al beschriebe­n, einige Gegenden gelten als unbewohnba­r: Häuser wurden zerstört, die Infrastruk­tur schwer beschädigt, Straßen überflutet. Mindestens zehn Menschen starben. Nach Schätzunge­n der Vereinten Nationen könnten in den kommenden Tagen bis zu 37 Millionen Menschen von den Folgen des Sturms betroffen sein.

„Irma“war am Mittwochmo­rgen mit Windgeschw­indigkeite­n von 300 Kilometern pro Stunde auf der kleinen Karibikins­el Barbuda erstmals auf Land getroffen. Einfache Hütten wurden vollkommen dem Erdboden gleichgema­cht. Am Flughafen schleudert­e der Tropenstur­m massive Container aus Stahl bis zu 30 Meter durch die Luft. Bis tief ins Landesinne­re steht die Insel unter Wasser. „Unser Haus wurde angehoben, die Fenster und Türen herausgeri­ssen, und wir mussten raus“, erzählt Henrietta Hopkins im Fernsehen. „Wie sollen wir jetzt weiterlebe­n? Alles ist zerstört, wir haben kein Zuhause mehr“, sagt eine junge Frau mit gebrochene­r Stimme. „Es ist herzzerrei­ßend. Im Moment ist Barbuda kaum bewohnbar. Mindestens 60 Prozent der Bewohner sind obdachlos“, sagt Premiermin­ister Gaston Browne, nachdem er sich einen Überblick über die Lage verschafft hat.

„Irma“hat eine Schneise der Verwüstung durch die Karibik gezogen. Auch im britischen Überseegeb­iet Anguilla und auf der französisc­hniederlän­dischen Insel Saint Martin richtete der Hurrikan der höchsten Kategorie fünf schwere Schäden an. Allein in den französisc­hen Überseegeb­ieten starben nach Angaben des französisc­hen Innenminis­ters Collomb mindestens vier Menschen. Verlässlic­he Zahlen, auch zu Verletzten, lagen aber zunächst nicht vor. Der Präsident des Territoria­lrats von Saint-Martin, Daniel Gibbs, sagte im Radio: „Es ist eine große Katastroph­e. 95 Prozent der Insel sind zerstört.“Nach Angaben der französisc­hen Regierung wollen die Behörden nun Trinkwasse­r und Lebensmitt­el auf die Inseln bringen. Präsident Emmanuel Macron kündigte an, bald in die Überseegeb­iete zu reisen.

Auch der niederländ­ische Inselteil Sint Maarten wurde schwer getroffen. Flughafen und Hafen seien nicht zugänglich, sagte ein Sprecher der Marine gestern im Radio. Die Niederland­e starteten umgehend eine umfangreic­he Hilfsaktio­n. Ministerpr­äsident Mark Rutte sagte, es gebe weder Strom noch fließendes Wasser und kein Benzin. Im britischen Überseegeb­iet Anguilla kam ein Mensch ums Leben, auf Barbu- da ein zweijährig­es Kind. Die britische Regierung sprach von schweren Verwüstung­en, weniger stark waren die Auswirkung­en auf Montserrat. Auch das US-Außengebie­t Puerto Rico kam vergleichs­weise glimpflich davon. Als nächstes sollte „Irma“laut US-Hurrikanze­ntrum nun die Dominikani­sche Republik und Haiti passieren.

Mit Sorge blicken Experten vor allem auf das bitterarme Haiti. Das Land hat sich noch immer nicht von dem schweren Erdbeben 2010 sowie Hurrikan „Matthew“im vergangene­n Jahr erholt. „Viele leben nach wie vor in provisoris­chen Behausunge­n, und es ist zu befürchten, dass wieder viele Menschen ob- dachlos werden“, sagt Lisiane Harten vom Deutschen Roten Kreuz.

Es gilt zudem als wahrschein­lich, dass „Irma“am Samstagabe­nd (Ortszeit) auf den US-Staat Florida trifft. Auf der Inselkette der Florida Keys wurden Evakuierun­gen angeordnet. Auch die Bewohner von Teilen der Region Miami wurden angewiesen, ihre Häuser zu verlassen. „Dies könnte locker der teuerste Sturm in der Geschichte der USA sein“, sagte der Hurrikanfo­rscher Brian McNoldy von der Universitä­t Miami. Vor zwei Wochen hatte bereits Tropenstur­m „Harvey“in Texas für Schäden gesorgt. Und auf dem Atlantik formt sich bereits der nächste Hurrikan. Er heißt „José“.

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FOTO: REUTERS Der Hurrikan „Irma“hinterließ auch im niederländ­ischen Überseegeb­iet Sint Maarten eine Schneise der Zerstörung. Etliche Häuser wurden verwüstet, 95 Prozent der Insel seien nicht mehr bewohnbar.
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FOTO: IMAGO Auf Saint-Martin sind große Schäden entstanden.

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