In der Erde graben tut der Seele gut
Im „Haus am Nordkanal“blühen die Senioren auf: Die Gartentherapie bietet eine Ergänzung zum Pflege- und Beschäftigungsalltag und steigert das soziale, psychische und physische Wohlbefinden der Bewohner.
Vor einiger Zeit im Garten vom „Haus am Nordkanal“, das wie das „Haus Greefsgarten“zum Seniorenzentrum der Evangelischen Kirchengemeinde Viersen gehört: Helma Saunus, Mitarbeiterin der Sozialen Betreuung im vollstationären Pflegeheim „Haus am Nordkanal“erzählt von ihrer Arbeit als Gartentherapeutin und davon, was die gelernte Altenpflegerin und Betreuungskraft auf die Idee brachte, die alten und teils demenziell veränderten Bewohner an die Gartenarbeit zu locken. „Früher gab es hier draußen mehr Pflastersteine als Natur, aber wenn ich Zeit mit meinen älteren Menschen an der frischen Luft verbrachte, sprachen wir oft über Gärten, die die meisten von ihnen früher einmal selbst bewirtschafteten. Ich merkte, wie tief das alles in ihrer Seele verwurzelt ist. Selbst kognitiv eingeschränkte Menschen schwelgten plötzlich in Erinnerungen und tauschten sich mit anderen darüber aus“, erzählte die Gartentherapeutin.
Bei der Gartentherapie handelt es sich um einen gesteuerten Prozess: Die Natur wird dazu verwendet, das soziale, psychische und physische Wohlfinden der Bewohner positiv zu beeinflussen. So können altbekannte Bäume, Blu- men und andere Pflanzen ein vertrautes Gefühl auslösen und für emotionale Sicherheit sorgen. Durch die körperliche Betätigung werden Ausdauer, Koordination, körperliches Wahrnehmen und Gleichgewichtssinn trainiert. Hinzu kommt das Gefühl, eine Sinn bringende Tätigkeit verrichtet zu haben, die von Angehörigen, den Mitbewohnern und dem Personal anerkannt wird. Auch dies steigert das Gefühl der Zufriedenheit der Bewohner. Eine Idee war also geboren: Helma Saunus wurde be- rufsbegleitend zu einer ausgebildeten und anerkannten Gartentherapeutin und die „Steinwüste“direkt am Haus zum kleinen Gartenparadies.
Die erstaunlichsten Dinge haben hier heute ihren Platz, werden gezüchtet, gehegt und gepflegt und schließlich geerntet. Das braucht viele fleißige Hände. Die Bewohner im „Haus am Nordkanal“lassen sich das nicht zweimal sagen. Für viele ist die Gartenarbeit längst zum liebsten Zeitvertreib geworden. Hier tauscht man sich aus und packt zu, so- weit es denn gesundheitlich möglich ist und – ganz wichtig – lässt sich die gesunde Kost aus der eigenen Produktion schmecken.
Geistig rege Menschen verbindet plötzlich der „grüne Daumen“mit demenziell veränderten Hausbewohnern und es entsteht ein neues Gemeinschaftsgefühl unter den Bewohnern. Davon wissen auch Frau Mathissen und Frau Stage in kleinen Anekdoten zu berichten. Die älteren Damen freuen sich über die Gartenarbeit und begutachten fachge- recht den Keimvorgang der Pflanzkartoffeln, die später in große Kübel eingesetzt werden sollen. Das macht schon Appetit auf den leckeren Kartoffelsalat, den es im vergangenen Jahr nach der erfolgreichen Ernte gab. Neben den Kartoffeln in Eimern, selbstgezogenen Tomaten und Erdbeeren – für die Rollstuhlfahrer extra im Hochbeet angebaut, spielen die Johannisbeersträucher eine Rolle. Aus den reifen Früchten soll dieses Jahr wieder der berühmte Aufgesetzte hergestellt werden.
Aber auch bettlägerige Bewohner werden von Helma Saunus nicht vergessen. „Kann jemand nicht in den Garten, kommt der Garten eben zu ihm ins Zimmer“, sagt Helma und erzählt, wie sie manchmal Bewohner mitten im Bett Blumen umtopfen lässt und wie gut das den Senioren tut. „En de Erd jrawe, deet de Siel joot – In der Erde graben tut der Seele gut“, sagt die Therapeutin. Im Haus am Nordkanal wird gelebt, was mit dieser alten niederrheinischen Weisheit gemeint ist. Die Autorin ist Öffentlichkeitsbeauftragte des Seniorenzentrum der Evangelischen Kirchengemeinde Viersen.