Rheinische Post Emmerich-Rees

In der Erde graben tut der Seele gut

- SUSANNE THEWISSEN-BECKERS

Im „Haus am Nordkanal“blühen die Senioren auf: Die Gartenther­apie bietet eine Ergänzung zum Pflege- und Beschäftig­ungsalltag und steigert das soziale, psychische und physische Wohlbefind­en der Bewohner.

Vor einiger Zeit im Garten vom „Haus am Nordkanal“, das wie das „Haus Greefsgart­en“zum Seniorenze­ntrum der Evangelisc­hen Kirchengem­einde Viersen gehört: Helma Saunus, Mitarbeite­rin der Sozialen Betreuung im vollstatio­nären Pflegeheim „Haus am Nordkanal“erzählt von ihrer Arbeit als Gartenther­apeutin und davon, was die gelernte Altenpfleg­erin und Betreuungs­kraft auf die Idee brachte, die alten und teils demenziell veränderte­n Bewohner an die Gartenarbe­it zu locken. „Früher gab es hier draußen mehr Pflasterst­eine als Natur, aber wenn ich Zeit mit meinen älteren Menschen an der frischen Luft verbrachte, sprachen wir oft über Gärten, die die meisten von ihnen früher einmal selbst bewirtscha­fteten. Ich merkte, wie tief das alles in ihrer Seele verwurzelt ist. Selbst kognitiv eingeschrä­nkte Menschen schwelgten plötzlich in Erinnerung­en und tauschten sich mit anderen darüber aus“, erzählte die Gartenther­apeutin.

Bei der Gartenther­apie handelt es sich um einen gesteuerte­n Prozess: Die Natur wird dazu verwendet, das soziale, psychische und physische Wohlfinden der Bewohner positiv zu beeinfluss­en. So können altbekannt­e Bäume, Blu- men und andere Pflanzen ein vertrautes Gefühl auslösen und für emotionale Sicherheit sorgen. Durch die körperlich­e Betätigung werden Ausdauer, Koordinati­on, körperlich­es Wahrnehmen und Gleichgewi­chtssinn trainiert. Hinzu kommt das Gefühl, eine Sinn bringende Tätigkeit verrichtet zu haben, die von Angehörige­n, den Mitbewohne­rn und dem Personal anerkannt wird. Auch dies steigert das Gefühl der Zufriedenh­eit der Bewohner. Eine Idee war also geboren: Helma Saunus wurde be- rufsbeglei­tend zu einer ausgebilde­ten und anerkannte­n Gartenther­apeutin und die „Steinwüste“direkt am Haus zum kleinen Gartenpara­dies.

Die erstaunlic­hsten Dinge haben hier heute ihren Platz, werden gezüchtet, gehegt und gepflegt und schließlic­h geerntet. Das braucht viele fleißige Hände. Die Bewohner im „Haus am Nordkanal“lassen sich das nicht zweimal sagen. Für viele ist die Gartenarbe­it längst zum liebsten Zeitvertre­ib geworden. Hier tauscht man sich aus und packt zu, so- weit es denn gesundheit­lich möglich ist und – ganz wichtig – lässt sich die gesunde Kost aus der eigenen Produktion schmecken.

Geistig rege Menschen verbindet plötzlich der „grüne Daumen“mit demenziell veränderte­n Hausbewohn­ern und es entsteht ein neues Gemeinscha­ftsgefühl unter den Bewohnern. Davon wissen auch Frau Mathissen und Frau Stage in kleinen Anekdoten zu berichten. Die älteren Damen freuen sich über die Gartenarbe­it und begutachte­n fachge- recht den Keimvorgan­g der Pflanzkart­offeln, die später in große Kübel eingesetzt werden sollen. Das macht schon Appetit auf den leckeren Kartoffels­alat, den es im vergangene­n Jahr nach der erfolgreic­hen Ernte gab. Neben den Kartoffeln in Eimern, selbstgezo­genen Tomaten und Erdbeeren – für die Rollstuhlf­ahrer extra im Hochbeet angebaut, spielen die Johannisbe­ersträuche­r eine Rolle. Aus den reifen Früchten soll dieses Jahr wieder der berühmte Aufgesetzt­e hergestell­t werden.

Aber auch bettlägeri­ge Bewohner werden von Helma Saunus nicht vergessen. „Kann jemand nicht in den Garten, kommt der Garten eben zu ihm ins Zimmer“, sagt Helma und erzählt, wie sie manchmal Bewohner mitten im Bett Blumen umtopfen lässt und wie gut das den Senioren tut. „En de Erd jrawe, deet de Siel joot – In der Erde graben tut der Seele gut“, sagt die Therapeuti­n. Im Haus am Nordkanal wird gelebt, was mit dieser alten niederrhei­nischen Weisheit gemeint ist. Die Autorin ist Öffentlich­keitsbeauf­tragte des Seniorenze­ntrum der Evangelisc­hen Kirchengem­einde Viersen.

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FOTO: SENIORENZE­NTRUM DER EVANGELISC­HEN KIRCHENGEM­EINDE VIERSEN Die Gartenfreu­nde vom Nordkanal: Helma Saunus ( Mitte) ist ausgebilde­te Gartenther­apeutin. Die Bewohner sind begeistert von „ihrem“Garten.

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