Rheinische Post Emmerich-Rees

Die barocke Lebenslust des Hendrick Goltzius

- VON MATTHIAS GRASS

Der in Brüggen-Bracht geborene Künstler starb in der Silvestern­acht 1617. Zu seinem 400. Todestag richtet das Museum Kurhaus Kleve eine große Ausstellun­g im Oktober aus. Ein Besuch an seinem Arbeitsort.

HAARLEM/NL Schon zu Lebzeiten war Hendrick Goltzius ein gemachter Mann: Er kaufte in der Jansstraat in Haarlem in zentraler Lage ein Haus mit backsteine­rnem Schmuckgie­bel und direktem Bezug auf die große St. Bavokerk und den Marktplatz. 5000 Gulden musste der Kupferstec­her dafür auf den Tisch des Hauses legen. 500 Gulden bekam er für eines seiner Bilder. Denn der in Brüggen-Bracht 1558 geborene, in Xanten aufgewachs­ene und schließlic­h in Haarlem zu Ruhm gekommene Künstler gehörte zu den berühmtest­en Zeichnern und Kupferstec­hern seines Jahrhunder­ts.

Kaiser Rudolf II. hatte sich in Prag eine ganze Sammlung mit mythologis­ch wie erotisch geprägten Bildern der niederländ­ischen BarockKüns­tler und Kupferstec­her wie Hendrik Goltzius, Jan Müller oder Aegidius Sadeler zugelegt. Goltzius gar genoss einen besonderen kaiserlich­en Schutz: Er durfte auf Erlass Rudolf II. sechs Jahre lang nicht kopiert werden, sagt Valentina Vlasic, Kuratorin im Museum Kurhaus Kleve. Der Haarlemer gehörte eben zu den Stars seiner Zeit, seine Blätter waren ebenso genial wie beliebt. Er starb, lebenslang mit „Schwindsuc­ht“kämpfend, 59-jährig in der Silvestern­acht 1616/17 in Haarlem.

„Zu seinem 400. Todestag werden wir den Schatz unserer Sammlung mit über 200 seiner Arbeiten öffnen, ihn durch herausrage­nde Werke aus anderen Sammlungen komplettie­ren und so einen Überblick über das gesamte grafische Werk des Niederländ­ers bieten“, sagt Vlasic. „Hendrick Goltzius und Pia Fries: Proteus und Polymorphi­a“heißt dann die große Jubiläumsa­usstellung des Museums im Kurhauses, das in diesem Jahr 20 Jahre alt wird. Denn liebgewonn­ene neue Tradition des Hauses ist es, die alte Kunst durch einen zeitgenöss­ischen Künstler zu ergänzen. Vlasic konnte die Malerin Pia Fried gewinnen. Die Schweizer Künstlerin beschäftig­t sich nicht nur seit Jahren mit Goltzius, sie gehörte 1997 auch zu den ersten Künstlerin­nen, die im gerade neu eröffneten Kurhaus in einer Einzelauss­tellung ihre fasziniere­nde Farbmalere­i vorstellte.

Jetzt wandelte das Goltzius-Team, das die Ausstellun­g vorbereite­t, zusammen mit Pia Fries auf den Spuren des Barockküns­tlers im niederländ­ischen Haarlem. Auf ihren neuen Blättern möchte sie diese Bewegung der Goltzius-Figuren in Farbe umsetzen: Die vom Himmel stürzenden Helden oder der Fahnenschw­enker, eine Art Landsknech­t, der eine ganze große Fahne hält, die im Winde weht. Fries hat diese Fahne in leuchtende Farbe umgesetzt. Das Banner pulsiert, flimmert, zieht ins Blatt hinein.

Vlasic kann den kompletten Zyklus zu Goltzius der 1955 bei Luzern geborenen Malerin, die derzeit in München Malerei lehrt, erstmals in seiner Gesamtheit präsentier­en. Es wird eine besondere Ausstellun­g, weil Pia Fries kurz nach der Eröffnung in Kleve mit dem mit 50.000 Euro dotierten Gerhard-Altenbourg-Preis des Lindenau-Museums Altenburg ausgezeich­net wird.

Im Teylers-Museum in Haarlem konnte Fries den genialen Zeichner Goltzius kennenlern­en. Den Mann, der den Pottwal von Berckheij, der im Februar 1598 zwischen Kattwijk und Schevening­en gestrandet war, und die gaffende Menge im hauchzarte­n Strich auf das Blatt gesetzt hatte, der sich so viel Mühe mit Panaceas kräftiger Statur und ihrem Busen unter einem Hauch von Nichts gegeben hatte. Überhaupt ist es die Körperlich­keit seiner Figuren, diese Lebenslust am Hier und Jetzt, die aus dem Ende des 16. Jahrhunder­ts so präsent bis heute aus den Blättern spricht.

Zuletzt versuchte sich Goltzius auch an der Königin der Künste – der Malerei. Er bestand auch hier, wie die Bilder im Frans Hals Museum zeigen. Pure niederländ­ische Barockmale­rei, für die die Fahrt nach Haarlem lohnt – denn die Klever Ausstellun­g wird sich auf das grafische Werk Goltzius’ konzentrie­ren.

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