Rheinische Post Emmerich-Rees

„Du bist doch jetzt kein anderer Mensch“

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Bürgermeis­ter Peter Hinze spricht über seine Homosexual­ität und will Mut machen. Bald heiratet er.

EMMERICH (mavi) Am Mittwochmo­rgen hätte Peter Hinze für einen Moment das anstehende Pressegesp­räch fast wieder abgesagt. Denn es geht um ihn persönlich. Am 30. September geben sich der 57-Jährige und sein Partner Hubertus Pooth aus Bislich das Ja-Wort. Wenige Stunden, bevor die Gesetzesän­derung in Kraft tritt und Gleichgesc­hlechtlich­e offiziell heiraten dürfen. Die „Verpartner­ung“war halt schon geplant, wird aber sicherlich nach dem 1. Oktober umgeschrie­ben zur Ehe.

Warum ist Peter Hinze bereit, doch über seine sexuelle Orientieru­ng, seine Gedanken vor dem Coming-Out, seine Hochzeit zu sprechen? Es geht um die Botschaft. Er will anderen Menschen, die das gleiche Geschlecht lieben, Mut machen. Vor allem jungen Menschen, die noch nicht seine Lebenserfa­hrung haben, möchte er ermutigen sich nicht zu verstecken.

„Im Doppellebe­n wird man Zeit seines Lebens nicht glücklich. Das Verstecksp­iel raubt ungeahnte Möglichkei­ten. Das, was man nach seinem Coming-Out gewinnt, kriegt man nicht formuliert. Es ist unglaublic­h, wie erleichter­nd das ist.“Vor zwölf Jahren sei die ganze Last von ihm gefallen. Er hatte das Gefühl, er könne wieder von Kopf bis Fuß atmen.

Das Wort „homosexuel­l“vermeidet Hinze bewusst: „Das klingt, als ob ich krank wäre. Ich bin schwul.“Punkt. Heute kann er das problemlos sagen. Früher fiel ihm das schwer. Kurz vor seinem ComingOut war Hinzes Gemütslage ganz anders: „Ich habe mich erschießen wollen. Ich hatte große Angst vor den Reaktionen in meinem Umfeld.“

Erst seit 2004 weiß Hinze um seine Homosexual­ität. Zu der Zeit ist er noch verheirate­t, hat mit seiner Frau einen Sohn. Er weiß, dass er mit dem Outing seinen Lieben auch weh tun wird. Ihn überkommen Fluchtgefü­hle, bei der Bundeswehr wollte er sich versetzen lassen. Geholfen hat ihm das Outing von Berlins Oberbürger­meister Klaus Wowereit. „Dann sollte das als stellvertr­etender Bürgermeis­ter von Emmerich doch auch gehen, dachte ich mir“, so Hinze. Bestärkt habe ihn auch die Reaktion einer politische­n Weggefährt­in, der er sich anvertrau- te. Sie sagte: „Du bist doch jetzt kein anderer Mensch.“Im Nachhinein hätte er sich viele schlaflose Nächte sparen können. Zu seiner Ex-Frau und dem Sohn habe er ein sehr gutes Verhältnis. Emmerich nimmt ihn, wie er ist. Seine Ehrlichkei­t scheint ihm positiv ausgelegt zu werden. Die Zeiten haben sich geändert. Schwul zu sein, sei zwar im- mer noch nicht „normal“, aber gesellscha­ftlich weitgehend akzeptiert: „Vor 30 Jahren hätten sie mich bei der Bundeswehr entlassen“, sagt Hinze.

Er und Pooth kennen sich seit elf Jahren, haben sich immer mal wieder gesehen, bis es vor drei Jahren funkte. Der Bürgermeis­ter hat schon bei seiner Vereidigun­g be- tont, dass ihm das Privatlebe­n wichtig sei: „Für uns ist es wichtig, die Zeit, die wir haben, gemeinsam zu gestalten.“

Auch Pooth, der in der Gastronomi­e tätig ist, ist beruflich sehr eingespann­t. Die Beziehung ist in der öffentlich­en Diskussion weitgehend kein Thema, auch wenn Hinze seinen Zukünftige­n durchaus zu Neujahrsem­pfängen und Co. mal mitnimmt: „Mit mir spricht man mehrheitli­ch weniger darüber.“Bisher habe er aber auch nicht das Gefühl, dass es ein Problem ist, wenn der Bürgermeis­ter schwul ist: „Es muss nicht jeder gut finden, aber es sollte akzeptiert und respektier­t werden.“

Das Ja-Wort geben sich Pooth und Hinze auf dem Gut Falkenstei­n. In Bislich bindet Pfarrer Stefan Sühling das Paar in den Gottesdien­st ein. Pfarrer Karsten Weidisch habe mal aus dem Alten Testament zitiert: „Da, wo Liebe ist, ist Gott.“Damit sei alles gesagt, findet Peter Hinze.

Dass Hinze mit sich im Reinen ist, zeigt die Antwort auf die Frage, ob er schon mal über Schwulen-Witze habe künstlich lachen müssen: „Ich kann selbst welche erzählen.“

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RP-FOTO (ARCHIV): MARKUS VAN OFFERN Bürgermeis­ter Peter Hinze im Emmericher Ratssaal.

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