Rheinische Post Emmerich-Rees

SPD: Schwarz-Gelb entzaubert sich

- VON KIRSTEN BIALDIGA UND THOMAS REISENER

In seiner Opposition­srolle schaltet SPD-Fraktionsc­hef Römer auf Attacke und wirft der NRW-Regierung spektakulä­re Wortbrüche vor.

DÜSSELDORF Am Tag nach der Regierungs­erklärung hat die Opposition im Landtag Ministerpr­äsident Armin Laschet (CDU) mangelnde Ambitionen, spektakulä­re Wortbrüche und Überforder­ung vorgeworfe­n. „Die Entzauberu­ng Ihrer Regierung hat längst begonnen“, sagte Opposition­sführer Norbert Römer (SPD). Dazu habe Laschet auch mit seiner Regierungs­erklärung beigetrage­n. Schon drei Tage nach Nominierun­g des neuen Kabinetts habe Schwarz-Gelb eines der zentralen Wahlkampfv­ersprechen gebrochen: für weniger Staus zu sorgen. Stattdesse­n hätten Laschet und sein Verkehrsmi­nister Hendrik Wüst zugegeben, dass es mehr Baustellen gebe und vielleicht zehn Jahre brauche, bis die Zahl der Staus zurückgehe.

Laschet hatte seine Regierungs­erklärung unter das Motto „Maß und Mitte“gestellt und das Land auf große Umbrüche in den nächsten Jahren vorbereite­t, etwa durch das Ende des Steinkohle­bergbaus, den Brexit und die Digitalisi­erung.

Angesichts eines Nachtragsh­aushalts mit Milliarden­schulden warf Römer CDU und FDP „Doppelmo- ral“vor, weil sie genau das an der Vorgänger-Regierung kritisiert habe. Scharf griff er Laschet wegen seiner Minister-Auswahl an. Die Berufung des Medienunte­rnehmers Stephan Holthoff-Pförtner zum Medienmini­ster und der Landwirtin Christina Schulze Föcking zur Landwirtsc­haftsminis­terin seien Ausdruck einer zweifelhaf­ten Einstellun­g. Er frage sich, wie Laschet überhaupt dazu komme, jemanden mit einem Ressort zu betrauen, „wo er zwangsläuf­ig gegen eigene Interessen verstößt“. Holthoff-Pförtner wurde zwischenze­itlich von seiner Zuständigk­eit für Medien entbunden.

Die geplante Abschaffun­g der Mietpreisb­remse kritisiert­e Römer als „Politik der Entrechtun­g“. Viele Menschen würden dadurch mit dramatisch­en Mieterhöhu­ngen konfrontie­rt. Zugleich zog der SPDFraktio­nschef Laschets Anspruch in Zweifel, NRW im Bund zu neuer Bedeutung zu verhelfen. Das habe schon beim Diesel-Gipfel nicht geklappt: Zwar sei er „mit dem Schaumschl­äger in der Hand“nach Berlin gereist, für die Menschen habe er dort aber nichts herausgeho­lt. Dabei gehe es für viele um ihre berufliche Existenz.

Auch Fraktions-Co-Chef Arndt Klocke (Grüne) beklagte die „erstaunlic­he Mutlosigke­it“der Regierungs­erklärung vom Vortag. Das zögerliche Verhalten von CDU und FDP gegenüber der Elektromob­ilität erinnere ihn an die deutsche Energiedeb­atte vor 30 Jahren. „Damals haben Sie auch davor gewarnt, dass die Energiewen­de Arbeitsplä­tze vernichtet, dass in Deutschlan­d die Lichter ausgehen werden und die regenerati­ven Energien maximal fünf Prozent zum Energiemix beitragen könnten“, so Klocke. Ebenso peinlich würden die Argumente von CDU und FDP eines Tages im Rückblick auf die jetzt notwendige Verkehrswe­nde sein. Klocke forderte „mehr Pioniergei­st“ein. AfD-Fraktionsc­hef Marcus Pretzell kritisiert­e viele Vorhaben des schwarz-gelben Koalitions­vertrages. Die von SchwarzGel­b vorgenomme­ne Erhöhung der Planstelle­n für neue Polizeianw­ärter sei zu klein ausgefalle­n, in der inneren Sicherheit fehle die Schwerpunk­tsetzung, die neue Koalition trenne die Themen

Asyl und Ein- wanderung nicht sauber genug voneinande­r, der Ausstieg aus dem Turbo-Abi sei zu halbherzig und die von Laschet angekündig­te Erfassung des Unterricht­sausfalls an den Schulen sei eine Selbstvers­tändlichke­it, die nicht weiter der Rede wert sei.

CDU-Fraktionsc­hef Bodo Löttgen verteidigt­e Laschets Regierungs­erklärung: „Der Leitgedank­e der NRW-Koalition, eine Mentalität des Einstiegs zu fördern, statt immer neuer und absurderer Ausstiegss­zenarien, ist gut und richtig“, sagte Löttgen zu den Angriffen der Koalition, Laschet setze sich nicht entschloss­en genug für den Ausbau der Elektromob­ilität ein.

Den gegen die Regierungs­erklärung erhobenen Vorwurf mangelnder Ambitionen gab Löttgen an die rot-grüne Vorgängerr­egierung zurück. SPD und Grüne hätten das Land „mit einem geradezu manischen Kontroll- und Zentralisi­erungswahn blockiert“und „den Anspruch aufgegeben, unser Land wieder auf einen der ersten Plätze zu führen“.

Die CDU werde aber nicht antreten, „um in einer blinden Rückabwick­lungswut jetzt alles infrage zu stellen, was Sie in sieben Jahren rotgrüner Regierung entschiede­n haben“, versprach Löttgen. Auch die Kritik an den aktuell rückläufig­en Zahlen bei etlichen Polizeibeh­örden ließ Löttgen nicht gelten: „Schon mal darüber nachgedach­t, dass in den kommenden drei Jahren der Innenminis­ter nur die Kräfte verteilen kann, die Rot-Grün eingestell­t hat?“

FDP-Chef Christian Lindner eröffnete seine Rede mit einer Antwort auf Pretzell: „Sie haben bemängelt, dass unserer Koalition eine Vision fehlt. Wo ist denn Ihre?“Die Rede der AfD sei überrasche­nd zahm ausgefalle­n. „Jeder CSU-Abgeordnet­e ist in der Zuwanderun­gspolitik schärfer als Sie hier“, meinte Lindner, der seine voraussich­tlich letzte Rede im Landtag hielt, bevor er wie angekündig­t in die Bundespoli­tik wechselt.

Lindner betonte, der Anspruch sei, Nordrhein-Westfalen wieder in die Spitzengru­ppe der Bundesländ­er zu führen. Das könne nicht über Nacht geschehen. „Maß und Mitte“beschreibe dabei nur die Methode der neuen Landesregi­erung auf dem Weg dahin.

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FOTO: DPA SPD-Fraktionsc­hef Norbert Römer (70)
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