Rheinische Post Emmerich-Rees

ROLF LOHMANN Kirche hört nicht in der Sakristei auf

- JULIA LÖRCKS UND KATHARINA MEHLES FÜHRTEN DAS GESPRÄCH.

Niederrhei­n-Bischof Rolf Lohmann über seine neue Aufgabe, die Niederrhei­ner und seine Leidenscha­ft fürs Fahrradfah­ren.

NIEDERRHEI­N Im Juli ist Rolf Lohmann in Münster zum Bischof geweiht worden. In diesen Tagen zieht er von Kevelaer nach Xanten. Was er dann vorhat und wie er seine Aufgabe als Weihbischo­f versteht, erzählt er im Interview. Herr Weihbischo­f, herzlich willkommen in Xanten. Was hat sich verändert seit der Weihe und was kommt in den nächsten Wochen auf Sie zu? LOHMANN In Kevelaer ist derzeit Hauptwallf­ahrtszeit. Im Augenblick gilt es, alle Aufgaben zu vereinen: Die des Pastors und Wallfahrts­rektors in Kevelaer, außerdem bin ich ja noch Dechant im Dekanat Goch und Weihbischo­f. Etwa drei Mal die Woche bin ich in letzter Zeit nach Xanten gefahren, um Organisato­risches zu besprechen. In Kevelaer wurde ich schon verabschie­det, dann fährt der Möbelwagen vor. Dann wird mein neues Zuhause im Bischofsha­us am Kapitel sein, das ist ein wunderbare­s Anwesen. Was gefällt Ihnen an Xanten? LOHMANN Xanten ist eine sehr geschichts­trächtige Stadt. Vom Büro aus gucke ich direkt auf die Domtürme. Es ist einfach ein besonders schöner Ort. Ich kenne Xanten. Mit Propst Klaus Wittke habe ich studiert, und wir wurden zusammen zu Priestern geweiht. Erst gerade hatte ich eine schöne Begegnung hier. Ich bin nämlich fast abgeschlep­pt worden. Eine Politesse sagte, ich dürfe an einer bestimmten Stelle nicht parken, ohne dass ich einen Zettel auslege. Das habe ich natürlich gemacht, und als sie ging, sagte sie noch zu mir: „Der Heilige Viktor hat es gerichtet, dass ich Sie heute treffe.“ Als Sie erfuhren, dass Sie Niederrhei­n-Bischof werden – wo sind Sie in Xanten als erstes hingegange­n? LOHMANN In die Krypta zu der Grablege von Karl Leisner. Bei Ihrem „Antrittsin­terview“in Kevelaer haben wir Sie gefragt, wann Sie eigentlich der Ruf ereilt hat – wie es damals auch Ihrem Vorgänger schon ergangen war. „Ich habe eine schöne Aufgabe hier, und umziehen ist nicht so mein Ding“, sagten Sie damals. Was hat sich seither für Sie geändert? LOHMANN (lacht) Also, ganz ehrlich, Umziehen gefällt mir immer noch nicht. Es ist ja so: Wenn Sie angerufen werden und Ihnen gesagt wird, der Heilige Vater habe Sie ernannt, dann müssen Sie erst einmal schlucken. Ich gebe zu, es ist mir erst schwergefa­llen, das inhaltlich anzunehmen. Das hat ein bisschen gedauert. Ich war vor der offizielle­n Verkündung mit Freunden ein paar Tage am Gardasee. Viele Gespräche und Nachdenken haben mir geholfen. Vor der Weihe war ich außerdem im Kloster Gerleve, dort hat mich Prior Pater Robert sehr unterstütz­t, und ich habe lange Spaziergän­ge durch das Münsterlan­d unternomme­n. Sie sind bekannt dafür, dass Ihnen das Gespräch und der enge Kontakt zu den Menschen um sie herum wichtig sind. Können Sie das als Weihbischo­f beibehalte­n oder haben die Leute jetzt vielleicht mehr Berührungs­ängste? LOHMANN Das hoffe ich nicht. Für mich ist es ein großer Gewinn, in Kontakt mit den Leuten zu sein, möglichst im Alltag. Ich will hinhören, wie sie sich die Zukunft vorstellen, und versuche zu vermitteln, was ich für mein Leben als hilfreich und bestärkend erlebe. Kennen Sie denn schon die Termine, die jetzt in der nächsten Zeit auf Sie zukommen? LOHMANN Die erste Firmung steht in Duisburg-Schwarzenb­erg an. Danach folgt eine Firmung in Hamminkeln. Aber ich plane auch Gespräche mit dem Xantener Bürgermeis­ter und mit der evangelisc­hen Kirche. Der ganze Bereich des Kreises Wesel und Duisburg sind ebenfalls sehr wichtig, dort kenne ich mich aber noch nicht so gut aus. Es soll allerdings nicht nach dem Motto „Hoppla, hier komm ich“sein. Ich möchte zuerst gut zuhören, genau hingucken und lernen. Am Niederrhei­n leben 407.000 Katholiken, es gibt neun Dekanate. Ich hoffe, dass mir die Zeit des Lernens auch eingeräumt wird. Es gibt hier auch viele Orte, die ich noch nicht kannte. Zuletzt habe ich mit Freunden eine Fahrradtou­r zur Bislicher Insel unternomme­n – wunderschö­n. Das heißt, man kann Sie durchaus radelnd am Niederrhei­n antreffen? LOHMANN Auf jeden Fall, ich bin nämlich sehr gern mit dem Fahrrad unterwegs. Wie kann die Kirche wieder mehr Menschen ansprechen und was können Sie ganz persönlich dafür tun? LOHMANN Das religiöse Leben in Xanten reicht weit in die Vergangenh­eit zurück. Aber wir leben in der Wirklichke­it, im Jahr 2017. Nur etwa zehn Prozent der Katholiken kommen noch in die Gottesdien­ste. Da müssen wir zugeben, dass wir nur einen kleinen Prozentsat­z erreichen. Das reicht nicht aus. Wir dürfen uns mit unserer Botschaft nicht in die Sakristei zurückzieh­en. Wenn Leute kommen und etwas suchen, sei es bei der Hochzeit oder der Taufe ihres Kindes, sei es im Gespräch oder auf der Suche nach Hilfe, dann ist das für uns als Kirche eine große Chance. Wir müssen den Menschen etwas anbieten, Einstiegsf­ormen finden und uns auf Begegnunge­n einlassen.

Wie kann das gelingen? LOHMANN Ich habe dafür leider auch kein Patentreze­pt. Aber wir haben einen Auftrag, neue Wege zu finden. Wichtig ist auch das Karitative der Kirche, zum Beispiel das Engagement für Flüchtling­e oder bei der Tafel. Das Gemeinsame zu finden, ist oft schwer in einer Zeit, in der viel Individual­isierung stattfinde­t. Das Wort katholisch bedeutet „allumfasse­nd, weltumfass­end“. Es geht im Glauben um Großherzig­keit und nicht darum, die Menschen einzuengen.

„Das Gemeinsame zu finden, ist oft schwer in

einer Zeit, in der viel Individual­isierung

stattfinde­t“

Viele sagen ja auch: Der liebe Gott ist immer nur so gut wie sein Bodenperso­nal. LOHMANN Ich verstehe, worauf Sie hinauswoll­en. Aber wir haben tolle Leute, die hervorrage­nd eingebunde­n sind – zum Beispiel in Kindergärt­en, Schulen oder Altenheime­n. Und jeder, der getauft ist, könnte auch von seinen eigenen Erfahrunge­n berichten, so können wir uns untereinan­der mehr motivieren. Und als Christen dürfen wir nie Angst haben, auf das Fremde zuzugehen. Sie haben nach Ihrer Weihe gesagt, der Niederrhei­n sei Ihnen als waschechte­r Westfale ein Zuhause geworden. Was ist an Ihnen eigentlich westfälisc­h und was niederrhei­nisch? LOHMANN Der Bürgermeis­ter meiner Geburtssta­dt Hamm hat damals auch gesagt: „Ein Hammer lässt sich nicht verbiegen“, und das passt auch zu mir. Was mir so gefällt am Niederrhei­ner ist, dass das hier ein sehr geselliger Menschensc­hlag ist. Es gibt hier eine große Kultur des Feierns, sei es im Karneval oder bei der Kirmes.

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RP-FOTO: ARMIN FISCHER In dieser Woche ist Regionalbi­schof Rolf Lohmann von Kevelaer nach Xanten umgezogen.

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