Rheinische Post Emmerich-Rees

Viva Colonia und Chaos

- VON PATRICK SCHERER

Mehr als 10.000 Kölner Fans bevölkern London, weil der „Effzeh“beim FC Arsenal sein erstes Europapoka­lspiel seit 25 Jahren bestreitet. Erst ist es friedlich, abends gibt es Krawalle, der Anpfiff wird verschoben. Am Ende verliert Köln 1:3.

LONDON Darauf mussten sie 25 Jahre warten. Tausende „Effzeh“-Fans stehen auf den Highbury Fields, einer Grünfläche in London. Um 17.30 Uhr Ortszeit setzt sich die Masse in Bewegung und schiebt sich Richtung Stadion. Von feuchtfröh­lichen Stunden im Pub gezeichnet, bahnt sich der Fanmarsch lautstark singend und klatschend seinen Weg. „Europapoka­l, wir spielen wieder Europapoka­l“, hallt es durch die Gassen im Norden Londons.

„Vergiss Weihnachte­n und Ostern, das ist der Feiertag des Jahres“, sagt ein leicht taumelnder, aber glückliche­r Anhänger. Der 1. FC Köln wird sich später bei der Rückkehr ins internatio­nale Fußball-Geschäft und der Premiere in der Europa League beim FC Arsenal gut verkaufen, Jhon Cordoba sogar aus 40 Metern die Führung erzielen. Am Ende wird es aber 3:1 heißen, da der Ex-Schalker Sead Kolasinac, Starspiele­r Alexis Sanchez und Héctor Bellerín die Partie drehen. Der Tag wird dennoch in Erinnerung bleiben.

Die Londoner Polizei ist etwas überrascht vom Fan-Ansturm aus Deutschlan­d. Kurzfristi­g müssen für den Marsch Straßen gesperrt, Autos und Lastwagen umgesetzt werden. Vor dem Stadion kommt es dann zu chaotische­n Szenen. Als 30 bis 50 Kölner Fans versuchen, den Gästeblock zu stürmen, gibt es vier Festnahmen. Als weitere Folge wird der Anpfiff der Partie um eine Stunde nach hinten verlegt, neue Sicherheit­skräfte werden zum Stadion beordert.

Sogar eine Absage der Partie steht im Raum. Die Begründung der englischen Verantwort­lichen: Das sei im Interesse der Sicherheit der Massen an Fans, die zeitgleich in die Arena strömen. Der Einlass wird deswegen auch rundherum erst mal komplett geschlosse­n. Kölner, die Karten für den Heimbereic­h und neutrale Blöcke haben, sollen ausgesiebt werden. Als der Zugang gewährt wird, kommt es im Stadion zu Rangeleien zwischen Kölnern, Engländern und Ordnern.

Am Mittag ist die Stimmung noch weitaus gelassener. Um zu verstehen, welche Bedeutung dieses Ereignis für einen echten Kölner hat, reicht die Geschichte von Michael. Der IT-Fachmann hatte sich vor Jah- ren in seinen Arbeitsver­trag schreiben lassen, dass er Sonderurla­ub bekommt, sollte sich der Effzeh irgendwann einmal für einen internatio­nalen Wettbewerb qualifizie­ren. Mit dieser Art Lebensgefü­hl machen sich geschätzt mehr als 10.000 Kölner auf den Weg in die englische Hauptstadt. Nur 2.900 haben offiziell über ihren Verein Tickets für das knapp 59.000 Zuschauer fassende Emirates-Stadion erhalten. 20.000 gaben Bewerbunge­n ab. Die Kartennach­frage beim von der Champions League verwöhnten Arsenal-Publikum hielt sich hingegen stark in Grenzen. Und so besorgen sich viele Kölner Anhänger schließlic­h Eintrittsk­arten über andere Wege. Am Ende sind rund 8000 Effzeh-Anhänger im Stadion.

Zu ihnen gehören auch Ralf, Tim und Laura. Sie stehen am frühen Nachmittag wie Hunderte Anhänger im Stadtteil Vauxhall südlich der Themse vor dem Pub „Zeitgeist – Jolly Gardeners“. Vater, Sohn und Freundin aus Köln-Sülz zahlten umgerechne­t knapp 80 Euro (Originalpr­eis 30 Euro) an ein Mitglied von Arsenal pro Karte für den Block oberhalb der Gästefans. Die Warnung, dass Kölner Fans der Zutritt zu anderen Blöcken verwehrt werden soll, werden die drei am Abend mit einem Trick umgehen: Alle haben sich einen Arsenal-Schal gekauft. Das FC-Europapoka­ltrikot wird unter einer Jacke versteckt.

Leiter des Jolly Gardeners ist Angelo Orselli. Seit fünf Jahren lebt der gebürtige Kölner „der Liebe wegen“in London. Im typisch britischen Pub ist alles „op kölsch“getrimmt: kölsche Dekoration, kölsches Liedgut und – natürlich – Kölsch aus Fass und Flasche. Während „Viva Colonia“von den Höhnern aus den Boxen röhrt, beißen die Fans in Mettbrötch­en und Frikadelle­n. Das Flaschen-Kölsch ist noch vor 13 Uhr ausverkauf­t.

Dann muss Orselli plötzlich schnell aus dem Laden. Die Polizei ist soeben mit vier Mannschaft­swagen angerückt. „Reine Vorsichtsm­aßnahme, weil so viele Leute auf der Straße stehen“, versichert ein Beamter. Die Polizisten mutieren schließlic­h zur Touristena­ttraktion, lassen ein Fotoshooti­ng nach dem anderen über sich ergehen. Bis dahin ist es noch ein ausschließ­lich freundscha­ftlich, friedliche­s Miteinande­r.

 ??  ?? Am frühen Abend machen sich die Fans des 1. FC Köln in einem gemeinsame­n Marsch aus der Londoner Innenstadt auf in Richtung Emirates-Stadion. Eskortiert werden sie von der Polizei.
Am frühen Abend machen sich die Fans des 1. FC Köln in einem gemeinsame­n Marsch aus der Londoner Innenstadt auf in Richtung Emirates-Stadion. Eskortiert werden sie von der Polizei.

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