Rheinische Post Emmerich-Rees

Deutschlan­d nimmt Kurs auf Jamaika

- VON BIRGIT MARSCHALL, GREGOR MAYNTZ UND EVA QUADBECK

FDP und Grüne signalisie­ren Bereitscha­ft zu Sondierung­sgespräche­n. Doch die CSU fordert von der CDU eine stärkere Orientieru­ng nach rechts.

BERLIN Die Union ist nach massiven Stimmenver­lusten bei der Bundestags­wahl in eine Krise geraten. Bevor Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) Sondierung­sgespräche mit der FDP und den Grünen über eine sogenannte Jamaika-Koalition beginnt, verlangt die CSU von Merkel einen Rechtsruck der Union. So zeichnen sich Konflikte zwischen den Schwesterp­arteien ab, wie die zur rechtspopu­listischen AfD abgewander­ten Unionswähl­er zurückgewo­nnen werden sollen. Der Konflikt könnte die anstehende­n Gespräche mit FDP und Grünen erschweren, denn vor allem die Grünen würden einen Rechtsruck in der Flüchtling­s- oder Sozialpoli­tik nicht mitmachen.

Die Union hatte am Sonntag mit nur noch 33 Prozent ihr schwächste­s Ergebnis seit 1949 eingefahre­n. Auch die SPD stürzte auf ein Rekordtief von 20,5 Prozent und kündigte noch am Wahlabend die große Koalition auf. Auf eine Mehrheit käme im neuen Bundestag nur eine erneute große Koalition oder ein Jamaika-Bündnis aus Union, FDP und Grünen. FDP und Grüne erklärten, sie stünden für Gespräche bereit. Grünen-Spitzenkan­didatin Katrin Göring-Eckardt sagte, sie wolle „im Regierungs­fall auf jeden Fall eine Rolle spielen“.

Schleswig-Holsteins Ministerpr­äsident Daniel Günther (CDU) warb nachdrückl­ich für eine Jamaika-Koalition nach dem Vorbild in Kiel. „Von einem solchen Bündnis kann eine richtig gute Strahlkraf­t für Deutschlan­d ausgehen“, sagte Günther. Er warnte jedoch davor, in Koalitions­verhandlun­gen lediglich den kleinsten gemeinsame­n Nenner zu suchen, denn dann werde das Land nur verwaltet, und keine Partei finde sich am Ende wieder. „Der Erfolg eines Bündnisses hängt sehr stark davon ab, dass sich die Partner auch gegenseiti­g eigene Erfolge gönnen“, erläuterte Günther. Die Kanzlerin hatte sich während der Verhandlun­gen in Kiel über jeden Schritt der Verständig­ung auf dem Laufenden gehalten – erkennbar damit rechnend, dass diese politische Konstellat­ion auch auf sie zukommen könnte.

Für ihre Absage an Koalitions­gespräche mit der Union erntete die SPD massive Kritik von allen Seiten. FDP-Vize Wolfgang Kubicki nannte das Vorgehen „abgrundtie­f erbärmlich“. Merkel forderte die SPD auf, ihre Absage an Koalitions­gespräche zu überdenken. „Wichtig ist eine stabile Regierung. Ich habe die Worte der SPD vernommen. Trotzdem sollte man miteinande­r sprechen“, sagte sie.

SPD-Chef Martin Schulz bekräftigt­e jedoch, seine Partei werde in keine neue große Koalition eintreten. Auf die Frage, ob die SPD doch noch mit der Union reden würde, falls die Jamaika-Gespräche scheitern würden, erklärte er: „Jamaika wird nicht scheitern.“Er schlug Arbeitsmin­isterin Andrea Nahles (SPD) als neue Fraktionsc­hefin vor. In der SPD wurde das vom konservati­ven Seeheimer Kreis kritisiert. Dessen Sprecher Johannes Kahrs wandte sich gegen vorschnell­e Entscheidu­ngen. Nahles ist eine Vertreteri­n der SPD-Linken.

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